Joseph Anton
organisiert worden, doch Scotland Yard wollte sich nicht an die Zusage einer Vorankündigung halten. Der stellvertretende Polizeichef sei ›unruhig‹, sagte Helen Hammington, und die ›Uniformierten‹ vor Ort würden noch unruhiger sein. Sie fürchtete, die Polizei könnte es ›übertreiben‹, andererseits rechneten die ›Experten‹ für öffentliche Sicherheit mit einer gewaltsamen Demonstration einer Gruppe namens Hizb ut-Tahrir, die Helen als ›Anzugträger mit Handys‹ bezeichnete, schlau und fix genug, einen schnellen Gegenschlag auf die Beine zu stellen. Rab Connolly kam zu ihm und sagte: »In der Einheit gibt’s Leute, die gar nicht gut auf Sie zu sprechen sind und wollen, dass die Lesung in die Hose geht.« Auch wusste er zu berichten, bei Gesprächen mit Cathay Pacific Airways über die geplante Lesereise nach Australien und in den Südpazifik habe er mitgekriegt, dass British Airways bei verschiedenen Treffen der Airline-Chefs mit ihrem Mitflugverbot ›hausieren‹ gegangen sei, um die anderen zum Mitmachen zu überreden.
Während der Erscheinungstermin von Des Mauren letzter Seufzer näher rückte, artete der Streit zwischen ihm und den leitenden Scotland-Yard-Beamten, der das Malachite-Team zunehmend in Schwierigkeiten brachte, in Krieg aus. Rab Connolly rief an, um zu sagen, Commander Howley sei außer Haus und ein anderer leitender Beamter, Commander Moss, habe sich dessen Abwesenheit zunutze gemacht und sich mit dem ›unruhigen‹ örtlichen Polizeivize Skeete gegen ihn verbündet. Die Polizei würde sich aus der getroffenen Vereinbarung zurückziehen, weil Sie es sind , meinte Connolly. Margaret Thatcher würde auch auf Lesereise gehen, und sämtliche Veranstaltungen würden automatisch höchsten Polizeischutz genießen, weil – die alte Greenup-Leier – sie dem Staat einen Dienst erwiesen habe; doch Mr Rushdie war ein Unruhstifter und verdiente ihre Hilfe nicht. Die Beamten, mit denen er am meisten zu tun hatte – Connolly, Dick Wood und Helen Hammington (die mit einem gebrochenen Bein zu Hause saß) –, waren geschlossen auf seiner Seite, doch ihre Vorgesetzten blieben eisern. »Wenn der in diesen Buchladen geht«, sagte Moss, »dann allein.« Nach dem Wochenende war Howley wieder zurück. »Um aus der Schule zu plaudern«, sagte Connolly, »ich habe um eine Unterredung mit ihm gebeten. Wenn er mich nicht unterstützt, schmeiße ich bei der Schutztruppe hin und werde womöglich wieder normalen Polizeidienst schieben.« Es war nur eine simple Feststellung, doch sie war herzzerreißend.
Frances Coady und Caroline Michel waren fassungslos, als er sie von der Sache in Kenntnis setzte. Sie hatten sich bei der Planung der Buchpräsentation auf die Absprache mit der Polizei verlassen, die jetzt im letzten Moment gebrochen wurde. Er erzählte auch Frances D’Souza davon. »Ich bin mit meinem Latein am Ende«, sagte sie. »Ich kann einfach nicht mehr.« Wenn er unter Schutz gestellt werden sollte, dann nicht auf derart voreingenommene und kleinliche Weise. Sollte dieses Diktat bestätigt werden, würde er einen öffentlichen Krieg beginnen. Die Boulevardpresse würde ihn diffamieren, doch das tat sie eh schon. Sollte England entscheiden.
Er war im Krieg mit Polizisten, die glaubten, er habe in seinem Leben nichts geleistet, auch wenn vielleicht nicht alle bei Scotland Yard so dachten. Dick Wood berichtete, Polizeichef David Veness, der höchste Beamte, der sich bisher in die Geschichte eingeschaltet hatte, habe für die Hampstead-Lesung ›grünes Licht‹ gegeben und meinte, er würde »den Gedönsmachern sagen, sie sollen sich beruhigen«. Als er sein Ultimatum überbrachte, brütete Rab Connolly zu Hause womöglich gerade darüber nach, dass er seinen Job verlieren könnte. Doch am Ende gab es kein Ultimatum. Am Montag befahl Howley Connolly, die Veranstaltung abzublasen, und Connolly rief die Buchhandlung an, ohne den Verlegern oder dem Autor selbst etwas davon zu sagen.
Für diese Schlacht reichten herkömmliche Waffen nicht mehr aus. Jetzt waren thermonukleare Bomben fällig. Er verlangte ein Treffen bei Scotland Yard am nächsten Morgen und nahm Frances Coady und Caroline Michel als Vertreter von Random House mit, um klarzumachen, dass ihre verlegerischen Pläne durch die Polizei schweren Schaden erlitten. Die betretenen Mitglieder des Malachite-Teams erwarteten sie. Helen Hammington war trotz ihres gebrochenen Beins gekommen, und Dick Wood und Rab Connolly waren ebenfalls da.
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