Joseph Anton
lieben Comedy, Satire ist überhaupt kein Problem. Er nickte bekümmert und sagte, kürzlich habe er in einem Fernsehsketch Filmmaterial von Muslimen beim Freitagsgebet in, so glaubte er, Teheran verwendet und mit dem Off-Kommentar versehen: »Die Kontaktlinsen des Ayatollah sind noch immer nicht gefunden.« Wäre das angesichts der neuen Gesetzgebung in Ordnung, oder müsse er deshalb ins Gefängnis? O nein, das wäre kein Problem , hieß es, gar kein Problem, überhaupt kein Problem . Hmm, sagte Rowan, aber wie könne er da sicher sein? Das ist ganz einfach, entgegneten sie. Sie schicken das Drehbuch an die entsprechende Behörde zur Genehmigung, die Sie natürlich bekommen , und dann wissen Sie’s. »Ich frage mich«, gab Rowan zu bedenken, »warum mich das nicht beruhigt.« Am Tag, als dieser unsägliche Gesetzesentwurf zur Schlussabstimmung in das Unterhaus eingebracht wurde, war der Labour-Fraktionsvorsitzende von dessen Scheitern derart überzeugt, dass er Tony Blair sagte, er müsse nicht bis zur Auszählung bleiben. Also ging der Premierminister nach Hause, und sein Gesetzentwurf verfehlte die Annahme um eine Stimme . Wäre er geblieben, wäre die Wahl unentschieden ausgegangen, der Speaker hätte seine Stimme pflichtgemäß für die Regierung abgegeben, und der Entwurf wäre Gesetz geworden. Eine verdammt knappe Sache.
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Schrittchen für Schrittchen ging das Leben weiter. Der Leiter des Special Branch, Barry Moss, kam zu ihm, um ihm mitzuteilen, dass die neue Regelung, laut der er Frank Bishop sowie Dennis Chevalier als Ersatzmann einstellen könne und sich die Polizei komplett aus der Bishop’s Avenue zurückziehen werde, genehmigt worden sei. Ab dem 1. Januar 1998 gehöre sein Haus ihm, und mit Franks Unterstützung könnte er sämtliche ›Privatunternehmungen‹ allein bewerkstelligen. Eine riesige Last fiel von seinen Schultern. Zum ersten Mal würden er, Elizabeth und Milan in England ein Privatleben haben.
Frances D’Souza rief an und sagte, der gefürchtete iranische Geheimdienstminister Fallahian sei durch einen gewissen Mr Najafabadi ersetzt worden, der als ›liberal und pragmatisch‹ gelte. Nun, wir werden sehen, antwortete er.
Gail Rebuck willigte ein, die Konsortium-Taschenbuchausgabe von Die satanischen Verse sofort ins Sortiment von Random House UK hineinzunehmen und sie beim nächsten, womöglich gegen Weihnachten anstehenden Nachdruck mit dem Vintage-Logo zu versehen. Das war ein großer Schritt; die lang ersehnte »Normalisierung« des Romans in Großbritannien, neun lange Jahre nach seiner Veröffentlichung.
Miss Arundhati Roy gewann wie erwartet den Booker-Preis – sie war die klare Favoritin gewesen – und erzählte der Times am nächsten Tag, seine Literatur sei lediglich ›exotisch‹, ihre sei wahrhaftig. Das klang interessant, doch er beschloss, nicht darauf zu antworten. Dann wurde aus Deutschland bekannt, einem dortigen Journalisten habe sie mehr oder weniger das Gleiche gesagt. Er rief ihren Agenten David Godwin an, um ihm zu sagen, er halte es nicht für besonders klug, wenn zwei indische Booker-Preis-Gewinner einander öffentlich an den Karren führen. Er habe nie in der Öffentlichkeit gesagt, was er von Der Gott der kleinen Dinge halte, aber wenn sie Streit wollte, könnte sie ihn haben. Nein, nein, sagte David, ich bin sicher, sie ist falsch zitiert worden. Kurz darauf erhielt er eine beschwichtigende Nachricht von Miss Roy, die das Gleiche behauptete. Schwamm drüber , dachte er und richtete den Blick nach vorn.
Günter Grass wurde siebzig, und das Thalia Theater in Hamburg plante, sein Leben und seine Arbeit mit einem großen Festakt zu würdigen. Mit seiner neuen Busenfreundin Lufthansa flog er nach Hamburg und nahm zusammen mit Nadine Gordimer und fast allen bedeutenden deutschen Schriftstellern an der Veranstaltung teil. Nach dem offiziellen Teil des Abends gab es Musik und Tanz, und er stellte fest, dass Grass ein großartiger Tänzer war. Alle jungen Frauen wollten auf der Afterparty von Günter herumgewirbelt werden, und unermüdlich walzerte, gavottete, polkate und foxtrottete er durch die Nacht. Jetzt gab es zwei Gründe, den großen Mann zu beneiden. Schon immer hatte er Grass’ künstlerisches Talent bewundert. Wie befreiend musste es sein, nach einem Tag am Schreibtisch in sein Atelier zu gehen und sich auf völlig andere Art mit den gleichen Themen auseinanderzusetzen! Wie herrlich, wenn man seine eigenen Umschläge gestalten konnte! Grass’
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