Joseph Anton
vollbracht.
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Mitte November 1997 beklagte sich John le Carré, der sich zu Beginn des Angriffs auf Die satanischen Verse als einer der wenigen Schriftsteller gegen ihn ausgesprochen hatte, in The Guardian , Norman Rush habe ihn in The New York Times Book Review zu Unrecht »verleumdet«, und er sei »über den antisemitischen Kamm geschert« worden, »die ganze erdrückende Last politischer Korrektheit« sei eine Art »umgedrehte McCarty-Bewegung«.
Natürlich hätte er seine Meinung für sich behalten sollen, aber er konnte sich einfach nicht zurückhalten. »Hätte er in einer früheren Verunglimpfungskampagne gegen einen Schriftstellerkollegen nicht so eifrig mitgemischt, wäre es leichter, für ihn Verständnis zu zeigen«, schrieb er in einem Brief an die Zeitung. »Während der übelsten islamischen Attacken auf Die satanischen Verse im Jahr 1989 hat sich Carré ziemlich großspurig auf die Seite meiner Angreifer gestellt. Es wäre nur freundlich von ihm, zuzugeben, dass ihm die Machenschaften der Gedankenpolizei jetzt, da er zumindest seiner Auffassung nach in der Schusslinie steht, ein wenig klarer geworden sind.«
Le Carré stürzte sich sofort auf den Köder: »Rushdies Umgang mit der Wahrheit ist eigennützig wie immer«, entgegnete er. »Ich habe mich nie mit seinen Angreifern verbündet. Allerdings habe ich es mir auch nicht so leicht gemacht, zu sagen, er sei ein armer Unschuldiger. Ich war der Auffassung, nichts im Leben oder in der Natur gibt uns das Recht, große Religionen straflos zu beleidigen. Ich schrieb, es gebe kein absolutes Recht auf Meinungsfreiheit in jeder Gesellschaft. Ich schrieb, Toleranz entwickelt sich nicht in allen Religionen und Kulturen gleichzeitig und auf gleiche Weise und dass auch die christliche Gesellschaft bis vor sehr kurzer Zeit die Grenzen der Freiheit durch das definierte, was heilig war. Ich schrieb und würde es heute wieder schreiben, dass, wenn es zu einer Weiter verwertung von Rushdies Buch in Taschenbuchform käme, ich mir mehr Sorgen um die junge Frau in der Poststelle von Penguin Books mache, deren Hände durch eine Briefbombe zerfetzt werden könnten, als um Rushdies Tantiemen. Jeder, der bis dahin den Wunsch hatte, das Buch zu lesen, hatte reichlich Gelegenheit dazu. Meine Absicht war es nicht, Rushdies Verfolgung zu rechtfertigen, die ich wie jeder vernünftige Mensch verurteile, sondern einen weniger arroganten, weniger kolonialistischen und weniger selbstgerechten Ton anzuschlagen als den, der uns aus dem sicheren Lager seiner Bewunderer entgegenschallt.«
Inzwischen hatte The Guardian so viel Spaß an dem Kampf, dass er die Briefe auf der Titelseite abdruckte. Seine Antwort an Carré erschien am folgenden Tag: »John le Carré… behauptet, sich nicht am Angriff gegen mich beteiligt zu haben, und sagt zugleich, ›nichts im Leben oder in der Natur gibt uns das Recht, große Religionen straflos zu beleidigen‹. Man muss diesen überheblichen Satz nur überfliegen, um festzustellen, dass 1.) er die vernagelte, reduktionistische, radikal islamistische Auffassung teilt, Die satanischen Verse sei nichts anderes als eine ›Beleidigung‹, und 2.) behauptet, jeder, der für vernagelte, reduktionistische, radikal islamistische Leute nichts übrig hat, verliert sein Recht auf ein Leben in Sicherheit. … Er sagt, die Sicher heit von Verlagsmitarbeitern liege ihm mehr am Herzen als meine Tantiemen. Doch genau diese Menschen, die Verleger meines Romans in über dreißig Ländern und die Buchhändler, sind es, die mein Recht auf Veröffentlichung am leidenschaftlichsten verteidigt haben. Es ist unehrenhaft von le Carré, sie, die sich so mutig für die Freiheit eingesetzt haben, als Rechtfertigung für Zensur ins Feld zu führen. John le Carré hat recht, wenn er sagt, Meinungsfreiheit sei nicht absolut. Wir haben die Freiheiten, für die wir kämpfen, und wir verlieren die, die wir nicht verteidigen. Ich glaubte immer, George Smiley wisse das. Sein Schöpfer scheint es vergessen zu haben.«
An dem Punkt schaltete sich Christopher Hitchens ungebeten in die Debatte ein und sollte den Spionageautor fast zur Weißglut treiben. »John le Carrés Gebaren in dieser Zeitung ist das eines Mannes, der sich in seinen Hut erleichert hat und nun versucht, sich den randvollen Chapeau auf den Kopf zu klemmen«, meinte Hitch in seiner typisch tiefstapelnden Art. »Dass er sich derart schwammig und beschönigend zu einem offenen Aufruf zum Mord gegen Kopfgeld positioniert,
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