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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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hatten, zum Abendessen bei Geoffrey Robertson traf. Mann, waren Sie da angespannt! Ich dachte: Dieser Bursche weiß, wenn er die nächste Wahl in den Sand setzt, geht die ganze Partei den Bach runter. Cherie hingegen war entspannt, souverän, kultiviert, ganz die erfolgreiche Kronanwältin mit vielfältigen künstlerischen Interessen. (Das war der Abend, an dem Sie zugaben, Sie gingen nicht ins Theater und läsen nicht zum Vergüngen.) Tja, wie sich mit dem Job doch alles ändern kann! Auf Chequers wirkte Ihr Lächeln fast natürlich, Ihre Körpersprache selbstsicher, Ihre ganze Ausstrahlung entspannt. Cherie dagegen sah aus wie ein nervliches Wrack. Als sie uns durch das Haus führte – »und das hier ist nun der berühmte Long Room, und hier, schauen Sie, das ist die berühmte bla, und an der Wand hängt das berühmte bla bla bla« –, hatten wir den Eindruck, sie würde lieber den Strick nehmen, als für die nächsten fünf bis zehn Jahre auf Gute-Ehefrau-zweite-Geige-Schlossherrin-auf-Chequers zu machen. Es war, als hätten Sie Rollen getauscht. Sehr interessant.
    Und beim Abendessen waren Ihre reizende Familie und Gordon Brown mit seiner Sarah und Alastair Campbell mit seiner Fiona da, wirklich sehr nett! Und Cameron Mackintosh! Und Mick Hucknall! Und Micks heiße Freundin Soundso! Was blieb uns da zu wünschen übrig. Es hat uns echt die Laune gehoben, wirklich, denn Elizabeth und ich hatten einen ziemlich harten Tag, mit den ganzen Nettigkeiten fertig zu werden, die uns aus dem Iran entgegenschlugen. Kopfgeld-Sanei hat einen Bonus geboten, wenn ich in den Vereinigten Staaten umgebracht würde, »denn alle hassen Amerika«. Und der Oberstaatsanwalt Morteza Moqtadaie verkündete, »das Blut dieses Mannes muss vergossen werden«, und das staatliche Radio in Teheran spekulierte, »die Zerstörung des wertlosen Lebens dieses Mannes könnte dem Islam neues Leben einhauchen«. Das hat uns ein bisschen aus dem Tritt gebracht, wissen Sie? Ich bin sicher, Sie verstehen, dass meine Stimmung ein bisschen gedämpft war.
    Aber ich ich muss sagen, Robin Cook und Derek Fatchett mag ich inzwischen richtig gern. An diesem leidigen Jahrestag hat es mir viel bedeutet, dass der Außenminister das Ende der Fatwa gefordert und an den Iran appelliert hat, sich einem entsprechenden Dialog zu öffnen. Glauben Sie mir, es hat Außenminister gegeben, die … aber besser nicht an alte Wunden rühren. Ich wollte nur sagen, dass ich für die neue Entschlossenheit, gegen religiösen Fanatismus vorzugehen, dankbar war.
    Oh, ich habe gehört, Sie und Cherie seien sehr religiös. Meine Hochachtung dafür, wie gut Sie das zu kaschieren wissen.
    Ich kann mich noch an einen denkwürdigen Augenblick beim Abendessen erinnern. Nein, eigentlich an zwei. Ich weiß noch, wie Sie Milan auf Ihren Knien schaukelten. Das war nett. Und dann haben Sie, wenn ich mich recht erinnere, angefangen, von Freiheit zu reden, und ich dachte, das interessiert mich, also habe ich mich von Mick Hucknalls heißer Freundin abgewandt und Ihnen zugehört, und Sie redeten über freie Märkte, als wäre es das, was Sie mit Freiheit meinten, was ja nicht stimmen konnte, weil Sie ja ein Labour-Premier sind, oder?; also muss ich wohl etwas missverstanden haben, oder vielleicht ist das so ein New-Labour-Ding, Freiheit = freie Märkte, ein neues Konzept oder so. Wie auch immer, recht erstaunlich.
    Und dann brachen wir auf, und die Angestellten schäkerten mit Milan und sagten, wie schön es sei, ein kleines Kind im Haus zu haben, denn für gewöhnlich sind Premierminister nicht mehr ganz jung und deren Kinder erwachsen, doch jetzt erfülle das fröhliche Getrappel der jüngeren Blair-Kinder das Haus mit Leben. Das gefiel Elizabeth und mir; auch der riesige Teddy in der Eingangshalle gefiel uns, das Geschenk eines Staatsoberhauptes, vom Präsidenten des dunkelsten Peru vielleicht. »Wie heißt der denn?«, fragte ich, und Cherie sagte, er habe noch keinen Namen, und ohne nachzudenken sagte ich: »Sie sollten ihn Tony Bär nennen.« Ich gebe zu, das war nicht besonders geistreich, aber immerhin schlagfertig und hätte zumindest ein kleines Lächeln verdient, meinen Sie nicht? Aber nein, mit steinerner Miene entgegneten Sie: »Nein, das ist gar kein guter Name«, und ich verabschiedete mich mit dem Gedanken: Oje, der Premierminister versteht keinen Spaß.
    Aber das war mir gleich. Ihre Regierung war auf meiner Seite, und so konnte man die kleinen Misstöne übergehen, und auch

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