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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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die Vonneguts. Er selbst fühlte sich auch ziemlich ernüchtert. Dieser plötzliche, unvorhergesehene Sturz auf den Teppich steht uns allen bevor.
    *
    Der Kritikererfolg von Mitternachtskinder in den Vereinigten Staaten kam für Knopf völlig überraschend. Er war auf eigene Kosten nach New York geflogen, nur um da zu sein, wenn sein Buch veröffentlicht wurde, doch waren keine Interviews geplant, und er wurde auch um kein Interview gebeten, nicht einmal, als die fantastischen Besprechungen erschienen. Die Auflage war klein; es gab einen bescheidenen Nachdruck, ein paar Taschenbücher wurden verkauft, das war’s. Allerdings hatte er das Glück, am Eingang zu den Verlagsräumen in der 201 East, Ecke 50th Street dem legendären Alfred A. Knopf höchstpersönlich die Hand schütteln zu dürfen, einem ältlichen, zuvorkommenden Gentleman mit teurem Mantel und dunklem Barett. Und er traf seinen schlaksigen, ungestümen Verleger Robert Gottlieb, der selbst so etwas wie eine Legende war. Er begleitete Bob Gottlieb in sein Büro, das mit Fähnchen und Glückwunschkarten zu dessen fünfzigstem Geburtstag geschmückt war, und nachdem sie sich eine Weile unterhalten hatten, sagte Gottlieb: »Jetzt, da ich weiß, dass ich Sie mag, kann ich Ihnen sagen, dass ich damit nicht gerechnet habe.« Er war schockiert. »Warum nicht?«, stammelte er. »Hat Ihnen mein Buch nicht gefallen? Ich meine, Sie haben es doch veröffentlicht …« Bob schüttelte den Kopf. »Mit Ihrem Buch hat das nichts zu tun«, sagte er, »ich habe nur vor kurzem ein großartiges Buch von einem großartigen Schriftsteller gelesen und danach gedacht, ich könnte nie wieder jemanden mit muslimischem Hintergrund mögen.« Diese Aussage fand er sogar noch verblüffender. »Was war denn das für ein großartiges Buch?«, fragte er Gottlieb, »und wer ist dieser großartige Schriftsteller?« – »Das Buch«, antwortete Bob Gottlieb, »heißt Eine islamische Reise: Unter den Gläubigen, und der Autor ist V. S. Naipaul.« – »Das Buch«, erwiderte er daraufhin dem Cheflektor von Knopf, »werde ich auf jeden Fall auch lesen.«
    Bob Gottlieb schien sich unsicher zu sein, wie seine Worte aufgenommen werden würden, doch muss fairerweise gesagt werden, dass er sich weiterhin sehr gastfreundlich gegenüber seinem Autor verhielt, von dem er nicht geglaubt hatte, dass er ihn mögen würde. Er lud ihn zum Essen in sein Stadthaus in Turtle Bay ein, jener feudalen Gegend in Manhattan, zu deren Bewohnern auch Kurt Vonnegut, Stephen Sondheim und Katharine Hepburn gehörten. (Die damals bereits über siebzigjährige Schauspielerin war gerade erst nach einem Schneesturm an der Tür ihres Nachbarn Gottlieb aufgetaucht, eine Schaufel in der Hand, und hatte sich erboten, den Schnee vom Dach des Verlegers zu schaufeln.) Gottlieb saß zudem im Vorstand von George Balanchines New York City Ballet, und er lud seinen frisch gebackenen indischen Romancier – der einmal Suzanne Farrell, Balanchines große Liebe, kurz nach ihrem Streit mit dem großen russischen Choreografen in London mit Maurice Béjarts Truppe tanzen sah – zu einer Aufführung ein. »Allerdings nur unter einer Bedingung«, sagte Bob. »Sie müssen Béjart vergessen und zugeben, dass Balanchine der Größte ist.«
    Er bot ihm auch literarische Gastfreundschaft an, denn als Gottlieb 1987 Knopf verließ, um als Herausgeber von The New Yorker in William Shawns Fußstapfen zu treten, öffneten sich Rushdie endlich die Türen dieses ehrwürdigen Journals, und man ließ den Autor der Mitternachtskinder eintreten. Unter der Kuratel von Mr Shawn waren ihm diese Türen fest verschlossen geblieben, weshalb Salman nicht zu jenen gehörte, die das Ende des dreiundfünfzigjährigen Regimes dieses großartigen Herausgebers bedauerten. Bob Gottlieb publizierte sowohl seine Erzählungen wie auch seine Artikel und war der brillante, detailversessene und leidenschaftliche Herausgeber des langen Essays ›Out of Kansas‹ (1992), eines Beitrags zu Der Zauberer von Oz , der, wie Gottlieb ihm zu Recht zu betonen empfahl, wohl wunderbarsten filmischen Ode auf die Freundschaft.
    Während der Fatwa-Jahre sah er Gottlieb nur ein einziges Mal. Liz Calder und Carmen Callil gaben im Groucho Club in Soho gemeinsam eine Geburtstagsparty, und er durfte kurz daran teilnehmen. Als er Bob begrüßte, sagte der Verleger mit großem Nachdruck: »Ich setze mich sehr für Sie ein, Salman, und sage den Leuten immer, wenn Sie gewusst hätten, dass durch Ihr

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