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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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sie mit Nachdruck. »Wirklich, höchst problematisch.«
    Auf dem Strand vor ihrem Hotel verkaufte ein kleiner, hagerer Mann mit einem schicken Strohhut Touristenschnickschnack mit ungewohntem Eifer. »Hallo, Sir, kaufen Sie etwas, Sir«, sagte der Mann, verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen und setzte dann hinzu: »Ich heiße Body Building.« Es war, als stellte sich Mickey Mouse mit den Worten ›Arnold Schwarzenegger‹ vor. Er schüttelte den Kopf. »Nein, so heißen Sie nicht«, sagte er und wechselte ins Hindi. »Sie müssen einen indischen Namen haben.« Die Wirkung dieses Sprachwechsels war dramatisch. »Sie sind ein richtiger Inder, Sir?«, fragte Body Building, nun ebenfalls auf Hindi. »Aus dem richtigen Indien?« In drei Tagen war Holi, das Frühlingsfest der Farben, an dem in ganz Indien – und offenbar auch auf Mauritius – ›Holi gespielt‹ wurde, man sich also mit gefärbtem Wasser bespritzte und mit Farbpulver bewarf. »Sie müssen Holi in meinem Haus spielen«, verlangte Body Building, und das frohe Lachen der Holi-Spieler bot ein wenig Ablenkung von den wachsenden Spannungen zwischen ihm und seinen Reisegefährten. Es war ein guter Tag in der fünf Wochen alten Ehe, die bereits unter ersten Stresssymptomen litt. Da entluden sich elektrische Funken zwischen Marianne und Lara, ihm und Lara, ihm und Marianne. Der warme Indische Ozean konnte das nicht fortwaschen, die leuchtend bunten Farben an Holi konnten es nicht überdecken. »Ich stehe in deinem Schatten«, sagte Marianne, und er sah den Vorwurf in ihren Augen. Andrew Wylie und Gillon Aitken waren auch Mariannes Agenten. Er hatte sie ihnen vorgestellt, und sie hatten sie aufgenommen, doch jetzt wurde Die satanischen Verse verkauft, und ihr Roman musste warten.
    Als sie von den Feierlichkeiten zurückkamen, klatschnass, rosarot und grün, erwartete ihn eine Nachricht von Andrew. Von der Hotelbar rief er in New York an. Bei Sonnenuntergang explodierte am Himmel eine festliche Farbenpracht. Die Angebote waren eingegangen. Sie waren hoch, fast schockierend hoch, gut zehnmal mehr als sein bislang höchster Vorschuss. Doch das viele Geld hatte seinen Preis. Zwei gute Freundschaften waren ernstlich angeschlagen.
    *
    Liz Calder, seine erste und einzige Lektorin, mit der er seit fünfzehn Jahren eng befreundet war, hatte Anfang des Jahres bei Jonathan Cape aufgehört, um eine der Mitgründerinnen des neuen Verlagshauses Bloomsbury zu werden. Aufgrund ihrer Freundschaft ging man davon aus, dass er ihr zum neuen Verlag folgte. Damals vertrat ihn Andrew Wylie nur in den Vereinigten Staaten; seine britische Agentin war die allseits geachtete Deborah Rogers, die selbst auch mit Calder befreundet war. Deborah war sich mit Liz rasch darin einig, dass der ›neue Rushdie‹ gegen ein bescheidenes Entgelt bei Bloomsbury er scheinen würde; der neue Verlag konnte sich keine hohen Vorschusssummen erlauben. Es war einer der fürs britische Verlagswesen so typischen Freundschaftsdeals, und er gefiel ihm nicht. Andrew Wylie sagte, falls er in Großbritannien einen geringen Vorschuss akzeptierte, wäre das für das Schicksal seines Buches in den Vereinigten Staaten nicht gerade vorteilhaft. Nach langem Zögern willigte er schließlich ein, sich von Andrew und seinem britischen Partner Gillon Aitken weltweit vertreten zu lassen. Der Freundschaftsdeal war geplatzt, Liz und Deborah waren zutiefst verletzt, und die Auktion begann. Ihm kam der Gedanke, er könnte Liz darauf hinweisen, dass sie eigentlich ihn verlassen hatte, als sie von Cape zu Bloomsbury ging, doch hatte sie für solche Argumente kein offenes Ohr. Und zu Deb gab es nicht viel zu sagen. Sie war nicht mehr seine Agentin. Er sah keine Möglichkeit, ihr diese bittere Pille zu versüßen.
    Freundschaften waren ihm schon immer wichtig gewesen. Einen Großteil seines Lebens hatte er physisch wie emotional fern von der Familie gelebt. Freunde aber waren die Familie, die man sich aussuchte. Goethe gebrauchte den wissenschaftlichen Begriff der Wahlverwandtschaft, um anzudeuten, dass Liebe, Ehe und Freundschaft gleichsam chemische Verbindungen schufen. Menschen fühlten sich zueinander hingezogen, um feste Verbindungen – Ehen – einzugehen, oder sie trennten sich wieder, falls sie anderen Einflüssen ausgesetzt wurden; ein neues Element ersetzte ein Teil, und womöglich entstand so eine neue Verbindung. Ihm selbst gefiel das Chemische als Metapher nicht sonderlich. Er fand es zu deterministisch; es ließ

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