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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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hatten sie alle zusammen in Frankreich Ferien gemacht, auch mit Louis’ kleinem Jungen Simon. Dies war die Beziehung, die er beendet hatte – des Geldes wegen. Was sagte das über ihn aus?
    Die Verbindung zu Deborah Rogers war nicht so alt wie die Freundschaft mit Liz, doch ähnlich eng. Sie war eine freundliche, mütterliche, herzensgute und großzügige Frau, die ebenso liebenswürdige wie geschäftsmäßige Beziehungen zu ihren Autoren unterhielt. Und es geschah in ihrem Büro, dass er nach der Veröffentlichung von Mitternachtskinder, doch lange vor dem Booker-Preis und dem Sturm auf die internationalen Bestsellerlisten, entschied, er könne, wenn er sehr sparsam war, vom Schreiben leben. Ihre Ermutigung gab ihm die Kraft, nach Hause zu gehen und Clarissa zu sagen, sie möge sich auf ›ein Leben in Armut‹ einstellen. Und dann stärkte Clarissas Glaube an ihn sein Vertrauen in sich, so dass er zur Agentur gehen und seinen Job kündigen konnte. Anschließend verbrachte er mit seiner Frau eine glückliche Zeit auf Middle Pitts, der Farm in Wales, die Deb und ihrem Mann, dem Komponisten Michael Berkeley, gehörte. Auch dieser Bruch sorgte daher für manchen Kummer und ein schlechtes Gewis sen. Doch als der Sturm über ihm aufzog, vergaßen beide, Deborah und Liz, auf der Stelle ihren Ärger und erwiesen sich ihm gegenüber als unglaublich treu und großzügig. Die Liebe und Treue seiner Freunde war es, die es ihm möglich machten, jene Jahre zu überstehen, und ja, auch die Fähigkeit seiner Freunde, ihm zu verzeihen.
    Liz sollte sich bald fühlen, als wäre sie im letzten Moment einer auf sie abgefeuerten Kugel ausgewichen. Hätte sie Die satanischen Verse verlegt und die anschließende Krise mit den Bombendrohungen durchmachen müssen, mit den Todesdrohungen und Sicherheitskosten, den Gebäuderäumungen und der Angst, wäre ihr neu gegründetes Verlagsschiff wohl untergegangen, und Bloomsbury hätte nie jene noch unbekannte, bis dato unveröffentlichte Kinderbuchautorin namens Jo Rowling entdeckt.
    Eines noch. In der Schlacht um Die satanischen Verse hätte sich kein Autor mutigere, unbeirrbarere und entschlossenere Verbündete als Andrew Wylie und Gillon Aitken wünschen können. Als er sie zu seinen Agenten machte, konnte er nicht wissen, dass sie gemeinsam in den Krieg ziehen würden, ebenso wenig wie sie ahnen konnten, was ihnen bevorstand. Als aber der Krieg ausbrach, war er froh, sie an seiner Seite zu haben.
    *
    Das höchste Angebot für die englischsprachigen Rechte an Die satanischen Verse kam nicht von Viking. Ein anderes Angebot lag um ganze einhunderttausend Dollar höher, doch rieten ihm Andrew wie Gillon dringend davon ab, es anzunehmen. Er war Zahlen in dieser Größenordnung nicht gewohnt, erst recht nicht, sie ausschlagen zu sollen, also sagte er zu Andrew: »Könntest du mir bitte erklären, warum ich nicht damit einverstanden sein sollte, hunderttausend Dollar zusätzlich zu verdienen?« Andrew blieb eisern. »Es wäre der falsche Verlag für dich.« Später, als der Sturm losbrach, erschien ein Interview mit Rupert Murdoch in The New Yorker , in dem er mit Nachdruck feststellte: »Ich finde, man sollte die religiösen Gefühle der Menschen nicht beleidigen. Deshalb kann ich auch nur hoffen, dass meine Leute niemals das Buch von diesem Salman Rushdie herausgebracht hätten.« Gut möglich, dass Rupert Murdoch nicht wusste, dass einige von ›seinen Leuten‹ so begeistert vom Roman gewesen waren, dass sie ihre Konkurrenten um eine beträchtliche Summe überboten hatten, doch schien es angesichts des Porträts im New Yorker durchaus wahrscheinlich, dass Murdoch, wäre er tatsächlich der Verleger von Die satanischen Verse geworden, den Roman in ebendem Moment zurückgezogen hätte, in dem die Probleme begannen. Andrew Wylies Rat war ungewöhnlich weitsichtig. Murdoch wäre tatsächlich der falsche Herausgeber für sein Buch gewesen.
    *
    So etwas wie das ›gewöhnliche Leben‹ gibt es nicht. Ihm hatte schon immer die Überzeugung der Surrealisten gefallen, laut der unsere Fähigkeit, die Welt als etwas Außergewöhnliches wahrzunehmen, durch Gewohnheit geschmälert wird. Wir gewöhnen uns daran, wie die Dinge sind, an die Alltäglichkeit des Lebens, und eine Art Staub schicht, ein Film legt sich über unseren Blick, weshalb die wahre, wundersame Natur des Lebens auf Erden verborgen bleibt. Zu den Aufgaben des Künstlers gehört es, diese blind machende Schicht fortzuwischen, unsere

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