Joseph Anton
seiner ebenso ignoranten wie bigotten und übelwollenden Gegner. Besonders unangenehm aber wurde diese Show durch den prominenten Intellektuellen George Steiner – das wahrhafte Gegenteil eines bigotten Ignoranten –, der zu einem machtvollen literarischen Angriff auf sein Werk ansetzte, den bald darauf weitere bekannte Figuren der britischen Medienwelt um ihre feindseligen Kommentare ergänzen sollten, so Auberon Waugh, Richard Ingrams und Bernard Levin. In anderen Zeitungen verteidigten ihn Edward Said und Carlos Fuentes, doch spürte er, wie die Stimmung umschlug. Und seine Lesereise in die Vereinigten Staaten wurde natürlich abgesagt. Zum Glück brachte die amerikanische Presse überwiegend positive Besprechungen seines Buches, doch würde er allzu bald nicht wieder über den Atlantik fliegen.
In den Verlagshäusern mehrten sich die Probleme. Bei Viking in London und neuerdings auch in New York gingen zahlreiche Drohanrufe ein. Junge Frauen hörten anonyme Stimmen sagen: »Wir wissen, wo du wohnst. Wir wissen, auf welche Schule deine Kinder gehen.« Und es gab mehrere Bombendrohungen, auch wenn zum Glück nie eine Bombe in einem der Verlagsräume explodierte. Bei Cody’s Books im kalifornischen Berkeley krepierte allerdings eine Rohrbombe. (Viele Jahre später sollte er einmal Codys Buchladen besuchen, und man zeigte ihm die ausgebrannten Regale, auf denen die Bombe gelegen hatte. Andy Ross und seine Mitarbeiter ließen den angerichteten Schaden unverändert und machten sogar stolz darauf aufmerksam, als wären die Brandflecken eine Auszeichnung für ihren Mut.) Und in einem billigen Hotel in London, im Sussex Gardens unweit von Paddington Station, jagte sich ein Möchtegern-Bombenleger, dessen Ziel die Büros von Penguin gewesen sein mochten (allerdings gab es ein Gerücht, dem zufolge er es vielleicht auch auf die israelische Botschaft abgesehen hatte), selbst in die Luft und erzielte damit ein ›Eigentor‹, so der Jargon des Special Branch. Danach wurden im Postzimmer von Penguin Hunde gehalten, die darauf trainiert waren, Sprengstoff zu erschnüffeln.
Verlagschef Peter Mayer gab bei der Londoner Firma Control Risks Information Services Limited einen Sicherheitsbericht in Auftrag, der das ›Eigentor‹ und die fortdauernde Bedrohung des Verlags analysieren sollte. Kopien dieses Berichts schickte man an Andrew Wylie und Gillon Aitken. Darin wurden die Hauptakteure in dieser Geschichte, vermutlich aus Sicherheitsgründen, nicht beim Namen genannt. Stattdessen erhielten sie Vogelnamen. Das Dokument trug den prachtvollen Titel: Einschätzung von Stärke und Potential des Protests der Regenpfeifer gegen Uferschnepfes Taube von der Küstenseeschwalbe sowie Implikationen für den Goldregenpfeifer. Es ließ sich vermutlich ohne allzu große Mühe herausfinden, dass mit Regenpfeifer die Muslime gemeint waren und sich hinter Uferschnepfe ›der Verleger‹ oder ›Viking‹ verbarg. Taube war Die satanischen Verse, und Goldregenpfeifer stand für Penguins Muttergesellschaft, die Pearson-Gruppe. Der Autor der Taube war Küstenseeschwalbe .
Peter Mayer (dem keine eigene ornithologische Identität zugeteilt wurde, obwohl ihn die Zeitungen gern den Königspinguin nannten) verbot allem Personal, das mit der Taube zu tun hatte, unter Androhung sofortiger Entlassung über Taube oder Küstenseeschwalbe zu reden. Öffentliche Stellungnahmen seitens der Uferschnepfe erfolgten ausschließlich durch den Anwalt Martin Garbus oder durch Bob Gregory, den offiziellen Sprecher. Diese Stellungnahmen, soweit sie erfolgten, waren im Ton vorsichtig defensiv. All das war sicher verständlich (bis auf die dämlichen Vogelnamen vielleicht), doch hatte dieses Diktat des Königspinguins zur Folge, dass gerade, als der drangsalierte Autor auf ein offenes Wort seiner Verleger angewiesen war, den Lektoren der Mund verboten wurde. Ihr Schweigen ließ eine Kluft zwischen Verleger und Autor entstehen. Noch aber waren die Risse in ihrer Beziehung vernachlässigbar, bewies der Verlag doch große Courage und Prinzipientreue. Muslimische Stimmen drohten Penguin mit weltweiten Vergeltungsschlägen gegen Verlagsbüros und auch mit einem globalen Verbot von Penguin-Büchern sowie aller übrigen Produkte von Pearson, einem Konglomerat mit vielfältigen Interessen in der gesamten muslimischen Welt. Trotz dieser Drohungen blieb Pearsons Führung unerschütterlich.
Die Publikation wurde fortgesetzt und das Buch in großen Mengen verschifft und
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