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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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Mountains und dem Nationalpark Brecon Beacons. Es regnete oft. Als sie ankamen, war es kalt. Die Polizeibeamten versuchten, den Ofen anzuzünden, was ihnen nach allerhand Gepolter und ein paar lauten Flüchen schließlich auch gelang. Er hatte Glück und fand oben ein kleines Zimmer, dessen Tür er hinter sich zuziehen konnte, um dann so zu tun, als würde er arbeiten. Das Haus schien ihm trostlos, ganz wie seine Tage. Margaret Thatcher trat im Fernsehen auf und zeigte Verständnis für die Beleidigung des Islam, sympathisierte mit den Beleidigten. Er redete mit Gillon Aitken und Bill Buford, und sie warnten ihn beide davor, dass sich die öffentliche Meinung zumindest für eine Weile gegen ihn richten könnte. Er las, was die Autoren zu seiner Unterstützung in The New York Times Book Review schrieben, und fand darin ein wenig Trost. Er telefonierte mit Michael Foot, und Foots abgehackt vorgebrachte, lautstarke Bekundungen absoluter Solidarität taten ihm gut. Er stellte sich Michael vor, sein langes, flatterndes Haar, seine Frau Jill Craigie grimmig und ernst an seiner Seite. »Eine Schande, das Ganze! Finden wir beide, Jill und ich. Genau das tun wir.«
    Das Team der Personenschützer hatte gewechselt. Stan, Benny, Dennis und Mick waren wieder bei ihren Familien, und nun kümmerte sich Dev Stonehouse um ihn, eine ›Type‹ mit angelaufenem Gesicht, als hätte er ein Alkoholproblem, ein Mann mit losem Mundwerk, randvoll mit Geschichten über frühere ›Kunden‹, um die er sich gekümmert hatte, Geschichten etwa über jenen Abend, an dem der irische Politiker Gerry Fitt sechzehn Gin Tonic getrunken hatte, über den Minister Tom King, der sich zu seinen Leuten unerträglich schnöselig benommen hatte – »eines Tages kriegt dieser Kerl noch eine Kugel in den Rücken« –, und im Gegensatz dazu der Feuerkopf aus Ulster, Ian Paisley, ein wahrer Gentleman, der sich stets an alle Namen erinnerte, nach den Familien fragte und zu Beginn eines jeden Tages mit seinen Personenschützern betete. Zu Devs Truppe gehörten außerdem zwei lächelnde, sanftmütige Fahrer, Alex und Phil, die Devs ›blühenden Unsinn‹ einfach überhörten, sowie ein zweiter Schutzbeamter, Peter Huddle, der für Detective Sergeant Stonehouse offenbar nur wenig übrighatte. »Der Mann ist wie Hämorrhoiden«, sagte er laut in der Küche, »ein ewiges Jucken am Arsch.«
    Sie nahmen ihn mit auf einen Spaziergang durch die Black Mountains – jene Landschaft, in der Bruce Chatwins bestes Buch Auf dem schwarzen Berg spielte –, und er spürte, wie sich seine Laune besserte, sobald er nur wieder draußen an der frischen Luft war, auf dem Land, vor sich einen weiten Horizont und nicht irgendwelche Wände in irgendeinem Haus. Dieses Team unterhielt sich gern mit ihm. »Ich kann meiner Frau keine Geschenke kaufen«, jammerte Alex, ein Schotte aus den Lowlands. »Nie gefällt ihr, was ich aussuche.« Phil war zur ückgeblieben, um auf die Autos aufzupassen. »Dem geht’s gut«, sagte Alex. » BBF s sitzen gern bei ihren Karren.« Ach, und Dev ver kündete so ganz nebenbei, dass er am Abend zuvor flachgelegt worden war. Alex und Peter verzogen angewidert das Gesicht. Er selbst spürte plötzlich einen heftigen Schmerz im Unterkiefer. Seine unteren Weisheitszähne machten ihm Ärger. Der Schmerz legte sich nach einer Weile wieder; er war nur ein warnender Hinweis, dass er bald zu einem Zahnarzt musste.
    Sie hatten gesagt, es gefiele ihnen nicht, wenn er zu oft nach London führe, doch begriffen sie auch, dass er seinen Sohn sehen musste. Freunde stellten ihm ihre Häuser zur Verfügung, und er wurde hingefahren, um sich dort mit Zafar zu treffen, nach Archway ins Haus von Teresa Gleadowe, einer Freundin aus Cambridger Studientagen, und Tony Stokes, ihrem Mann, einem Galeristen, in dessen kleiner Galerie in Covent Garden in einem anderen Leben die Feier zur Buchpremiere von Mitternachtskinder stattgefunden hatte, oder nach Kentish Town zu Sue Moylan und Gurmukh Singh, die sich auf seiner Hochzeit mit Clarissa kennengelernt und verliebt hatten und sich nie wieder trennen sollten. Sie waren ein ideales Paar, sie die Tochter eines Richters, eine klassische englische Rose, er der hochgewachsene, attraktive Sikh aus Singapur, ein Pionier der noch im Entstehen begriffenen Wissenschaft der Computersoftware. (Als Gurmukh beschloss, sich um den Garten zu kümmern, entwarf er ein Programm, das ihm genau sagte, wann er an jedem einzelnen Tag des Jahres was zu tun

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