Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Mehrung und Zunahme, wie wenn wir unsere Söhne Augustus heißen. Mit Gott war sein ganzer Name Joseph-el oder Josiphja, doch auch die erste Silbe davon verstanden sie gern schon als Hindeutung aufs Höchste und nannten seinen Namen Jehoseph.
Die Gesprenkelten
Da nun Rahel den Joseph geboren hatte, war Jaakob sehr zart und hoch gestimmt; er redete nicht anders denn mit feierlich bewegter Stimme, und die Selbstgefälligkeit seines Gefühls war sträflich. Da um die Mittagsstunde, in der das Kind erschienen, östlich das Tierkreiszeichen der Jungfrau heraufgekommen war, das, wie er wußte, in dem Verhältnis der Entsprechung zum Ischtar-Sterne, der planetarischen Offenbarung himmlischer Weiblichkeit, stand, so versteifte er sich darauf, in Rahel, der Gebärerin, eine himmlische Jungfrau und Muttergöttin zu sehen, eine Hathor und Eset mit dem Kind an der Brust, – in dem Kinde aber einen Wunderknaben und Gesalbten, mit dessen Auftreten der Anbruch gelächtervoller Segenszeit verbunden war und der da weiden werde in der Kraft Jahu’s. Es bleibt nichs anderes übrig, als ihm Maßlosigkeit und Überschwang zur Last zu legen. Eine Mutter mit dem Kinde ist wohl ein heilig Bild, aber die einfachste Rücksicht auf gewisse Empfindlichkeiten hätte Jaakob hindern müssen, aus dem Bilde ein »Bild« in des Wortes anstößigstem Sinn und aus der kleinen Rahel eine astrale Gottesmagd zu machen. Er wußte natürlich, daß sie nicht nach gewöhnlicher und irdischer Bedeutung des Wortes eine Jungfrau war. Mit was für Dingen hätte das auch zugehen sollen! Wenn er von »Jungfrau« sprach, so war das nur mythisch-sternkundiges Gerede. Aber er bestand auf dem Gleichnis mit allzu wörtlichem Entzücken und bekam Tränen des Eigensinns dabei in die Augen. Ebenso hätte es, da er Schafzüchter war und obendrein die Liebste seines Herzens Rahel hieß, als ein ganz leidliches und sogar anmutiges Gedankenspiel hingehen mögen, daß er ihren Säugling »das Lamm« nannte. Aber der Tonfall, in dem er es tat und von dem Lamme redete, das aus der Jungfrau hervorgegangen, hatte nichts mit Scherz zu tun, sondern schien für den kleinen Balg in der Hängewiege die Heiligkeit des fleckenlosen Erstlingsopfers aus der Herde in Anspruch zu nehmen. Alle wilden Tiere, schwärmte er, würden das Lamm bestürmen, aber es werde sie alle besiegen, und Freude werde darüber bei Engeln und Menschen auf der ganzen Erde sein. Auch ein Reis und einen Zweig, der aus der zartesten Wurzel gebrochen sei, nannte er den Sohn, denn damit verband sich seinem überpoetischen Sinn die Vorstellung des Weltenfrühlings und ebenjener nun angebrochenen Segenszeit, in welcher der Himmelsknabe die Gewalttätigen schlagen werde mit dem Stabe seines Mundes.
Was für Übertreibungen des Gefühls! Und dabei hatte für Jaakob der »Anbruch der Segenszeit«, soweit seine eigene persönliche Zeit dabei in Frage kam, eine sehr praktische Bedeutung. Er bedeutete Reichtumssegen – Jaakob war sicher, in der Geburt des Sohnes der Rechten eine Gewähr dafür sehen zu dürfen, daß es nun mit seinen Geschäften in Labans Diensten, so viel sie ihm unter der Hand schon abgeworfen hatten, entscheidend und in sehr steiler Kurve aufwärtsgehen, daß die kotige Unterwelt ihm nach dieser Wende rückhaltlos alles gewähren werde, was sie an Goldesschätzen zu bieten hatte: womit dann freilich wieder ein höherer und gefühlvollerer Gedanke nahe zusammenhing, nämlich derjenige beladener Heimkehr zur Oberwelt, ins Land seiner Väter. Ja das Erscheinen Jehosiphs kam einem Wendepunkt im Sternenlauf seines Lebens gleich, mit welchem genau genommen sein Aufstieg aus Labans Reich hätte zusammenfallen müssen. Das aber konnte nicht sein und stimmte nicht ohne weiteres. Weder war Rahel reisefähig (denn sie erholte sich, bleich und schwach, nur sehr schwer von der fürchterlichen Entbindung), noch war es vorläufig das Kind, ein Säugling, dem die mühselige Eliezer-Fahrt von mehr als siebzehn Tagen unmöglich zugemutet werden durfte. Es ist erstaunlich und legt das Lachen nahe, mit welcher Gedankenlosigkeit über diese Dinge zuweilen geurteilt und berichtet wird. So kann man hören, Jaakob habe vierzehn Jahre bei Laban verbracht, sieben und sieben; am Ende sei Joseph geboren worden, und dann sei er heimgereist. Dabei heißt es ausdrücklich, bei der Begegnung mit Esau am Jabbok seien auch Rahel und Joseph herzugetreten und hätten sich vor dem Edom geneigt. Wie aber sollte ein Säugling wohl
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