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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Laban.
    Da nannte denn Jaakob seine Forderung und sprach aus, was er wollte, wenn er das ein oder andere Jahr noch bliebe. Laban hatte manches erwartet, doch dieses nicht. Er war im ersten Augenblick wie vor den Kopf geschlagen, und sein Sinn rang hastig danach, die Forderung erstens recht zu verstehen und zweitens durch die nötigsten Gegenzüge sofort ihre Tragweite einzuschränken.
    Es war die berühmte Geschichte mit den gesprenkelten Schafen, tausendmal wiedererzählt an Brunnen und Feuern, tausendmal besungen und ausgetauscht im Schönen Gespräch zu Ehren Jaakobs und als Meisterstreich geistreicher Hirtenanschlägigkeit, – diese Geschichte, deren auch Jaakob selbst im Alter, wenn er alles besann, nicht gedenken konnte, ohne daß seine feinen Lippen sich lächelnd im Barte kräuselten ... Mit einem Wort, Jaakob verlangte die zweifarbigen Schafe und Ziegen, die schwarz-weiß gefleckten – nicht die vorhandenen – die Sache ist recht zu verstehen! –, sondern was scheckig fallen würde in Zukunft von Labans Herden, das sollte sein Lohn sein und geschlagen werden zu dem Privatbesitz, den er sich von langer Hand her in des Oheims Diensten erworben. Es lief auf die Teilung der von nun an zu züchtenden Tiere hinaus zwischen Bas und Knecht, wenn auch nicht gerade zu gleichen Hälften; denn die große Masse der Schafe war weiß und nur eine Minderzahl scheckig, so daß denn Jaakob auch tat, als handle es sich um eine Art von Ausschuß. Doch wußten beide genau, die da handelten, daß die Gesprenkelten geil und fruchtbar waren vor den Weißen, und Laban sprach das auch aus mit Entsetzen und Hochachtung, gebrochen von des Neffen Kunst und Unverschämtheit im Fordern.
    »Dir fallen Dinge ein!« sagte er. »Es ist, daß einem Manne Hören und Sehen vergehen könnte bei deinen Artikeln! Die Gesprenkelten also, die hervorragend Geilen? Es ist stark. Nicht daß ich nein dazu sagte, mißhöre mich nicht! Ich gab dir die Forderung frei und stehe zu meinem Wort. Wenn es die Bedingung ist, auf die du dich hart versteifst, und ziehest sonst hin und reißest die Töchter von meinem Herzen, Lea und Rahel, deine Weiber, daß ich Alter sie nimmermehr wiedersehe, so sei’s, wie du sagst. Doch geht es mir, offen gestanden, nahe bis an mein Leben.«
    Und Laban setzte sich nieder als wie gelähmt.
    »Höre!« sprach Jaakob. »Ich sehe, es kommt dich hart an, was ich verlange, und ist nicht ganz nach deinem Gefallen. Da du nun aber meiner Mutter leiblicher Bruder bist und hast mir Rahel gezeugt, die Sternenjungfrau, die Rechte und Liebste, so will ich bedingen meine Bedingung, daß sie dich weniger erschrecke. Wir wollen durch deine Herde gehen und auslesen alles sprenkliche und bunte Vieh und auch das schwarze und es abseits tun von dem weißen, so daß die einen von den andern nichts wissen. Was danach zweifarben fällt, das sei mein Lohn. Bist du’s also zufrieden?«
    Laban sah ihn an und blinzelte.
    »Drei Tagereisen!« rief er plötzlich. »Drei Tagereisen Raum soll gelegt sein zwischen die Weißen und die Gefleckten und Schwarzen und soll getrennte Zucht und Wirtschaft sein zwischen ihnen, so daß die einen nichts von den anderen wissen, so will ich’s haben! Und soll so besiegelt sein zu Charran vor dem Richter und hinterlegt unter Tag bei den Teraphim, das ist meine unweigerliche Gegenbedingung.«
    »Hart für mich!« sagte Jaakob. »Ja, recht, recht hart und bedrückend. Doch bin ich’s gewohnt von Anbeginn, daß mein Oheim streng und trocken denkt in wirtschaftlichen Dingen und ohne Rücksicht auf verwandtschaftliche Beziehungen. So nehme ich deine Bedingung an.«
    »Du tust wohl daran«, antwortete Laban, »denn nie wäre ich davon abgegangen. Laß übrigens hören und sage mir: Welche Herde gedenkst du zu weiden und über welche den Stab zu führen für deine Person, die gesprenkelte oder die weiße?«
    »Es ist recht und natürlich«, sprach Jaakob, »daß jeder das Eigentum hüte, das ihm fruchten soll, ich also die Scheckigen.«
    »Nicht also!« rief Laban. »Dies nun aber gewiß nicht! Du hast gefordert, und zwar gewaltig. Nun bin ich an der Reihe und stelle auf dagegen, was mir das Wenigste dünkt und Billigste zur Wahrung der Wirtschaftsehre. Du verdingst dich mir neu durch diesen Vertrag. Bist du aber mein Knecht, so will es die Wirtschaftsvernunft, daß du den Stab hältst über das Vieh, das mir frommen soll, das weiße, nicht über das, das dir wirft, das scheckige. Das mögen weiden Beor, Alub und Muras,

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