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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Gott dir zugewandt, und Nabu, der Führer, der Gott der Diebe, sei mit uns!«
    »Dank euch!« erwiderte Jaakob. »Gleichmäßigen Dank euch beiden! Laban kommt heraus, mit mir seine Herde zu scheren den dritten Tag von heute. Danach zieht er hinüber drei Tagereisen weit, seine Sprenklichen zu scheren mit Beor, Alub und Muras. Indes er zieht, sammle ich das Meine, das in der Mitte ist zwischen hier und dort, die Herden, die Gott mir geschenkt, und den sechsten Tag von heute, wenn Laban fern ist, stehlen wir uns hinweg in all unsrer Schwere gegen das Wasser Prath und gen Gilead. Geht, ich liebe euch ungefähr gleichmäßig! Aber du, Rahel, mein Auge, trage Sorge um das Lamm der Jungfrau, Jehosiph, den wahrhaften Sohn, daß die Reise ihm möglichst sanft sei, und sinne auf warme Hüllen für ihn in Voraussicht kalter Nächte, denn das Reis ist zart wie die Wurzel, aus der es unter Krämpfen und Schmerzen gebrochen. Geht und bewegt bei euch alle meine Worte!«
    So, und genauer noch, wurde die Flucht verabredet, deren Jaakob noch im Alter mit listiger Erregung gedachte. Aber mit Rührung gedachte er dessen und sprach davon bis an seinen Tod, was Rahel, die Kleine, damals getan in lieblicher Einfalt und Durchtriebenheit. Sie tat es in aller Selbständigkeit, ohne jemandes Mitwissen, und auch ihm, dem Jaakob, gestand sie es erst später, um sein Gewissen nicht an ihrer Tat zu beteiligen, so daß er reinen Herzens schwören könne vor Laban ... Was tat sie? Da man sich fortstahl und die Welt im Zeichen Nabu’s stand, so stahl auch sie. Da Laban den Hof verlassen, um zu scheren, stieg sie hinab zu stiller Stunde durch die Falltür ins Gelaß der Gräber und Quittungen, nahm Labans kleine Hausgötter, die Teraphim, einen nach dem anderen an den bärtigen und weiblichen Köpfchen, steckte sie unter ihren Arm und in ihre Gürteltasche, behielt auch ein paar in der Hand und schlüpfte ungesehen damit hinweg ins Frauenquartier, um die Tönernen mit Hausrat zuzudecken und mitzunehmen auf die diebische Reise. Denn in ihrem Köpfchen sah es verworren aus, und das war es gerade, was Jaakobs Herz mit Rührung erfüllte, als er alles erfuhr, – mit Rührung und Kummer. Zur Hälfte und nach ihrem mündlichen Bekenntnis war sie, aus Liebe zu ihm, wohl seinem Gotte, dem Höchst-Einzigen, gewonnen und hatte dem Landesüblichen abgesagt. Zur anderen Hälfte aber und im geheimen Herzen war sie noch götzendienerisch und dachte zum mindesten: Sicher ist sicher. Für alle Fälle nahm sie dem Laban die Ratgeber und Wahrsager weg, damit sie ihm nicht Auskunft gäben über die Pfade der Flüchtigen, sondern diesen Schutz gewährten gegen Verfolgung, worin nach landläufiger Annahme eine ihrer Kräfte und Tugenden bestand. Sie wußte, wie Laban an diesen Männlein und Ischtar-Weiblein hing, wie hoch er sie hielt, und dennoch stahl sie sie ihm um Jaakobs willen. Kein Wunder, daß Jaakob sie feuchten Auges küßte, als sie ihm später die Tat gestand, und sie nur ganz nebenbei aufs sanfteste etwas vermahnte von wegen ihrer Verworrenheit und darob, daß sie ihn mit leiblichen Eiden sich hatte verschwören lassen vor Laban, als dieser ihn einholte: denn blindlings setzte er damals ihrer aller Leben zum Pfande dafür, daß die Götter sich nicht unter seinem Dache befänden.
    Die Verfolgung
    Die Teraphim nämlich bewährten ihre schützende Tugend in diesem Falle durchaus nicht, – vielleicht weil sie sie nicht gegen ihren rechtmäßigen Besitzer zu kehren wünschten. Daß Jizchaks Sohn mit den Weibern, den Mägden, dem zwölfköpfigen Nachwuchs und all dem Seinen geflohen sei, und zwar natürlich gen Westen, erfuhr Laban schon den dritten Tag, kaum daß er zur Schur bei den Sprenklichen und Schwarzen angekommen war, erfuhr er es von Hüterknechten, die sich für die Treue ihres Mundes besseren Lohn erhofft hatten, als ihnen zuteil wurde: im Gegenteil, sie hätten fast noch Prügel bekommen. Der Wütende hastete nach Hause, wo er den Raub der Idole feststellte, und nahm von da, mit seinen Söhnen und einer Anzahl Bewaffneter, sogleich die Verfolgung auf.
    Ja, es war ganz wie vor fünfundzwanzig Jahren, auf Jaakobs Herreise, als er den Eliphas auf den Fersen gehabt hatte: wieder sah er sich furchtbar verfolgt, um so furchtbarer wiederum, als die nachsetzende Macht viel leichter beweglich war als er mit seinem langsam im Staube sich vorwärtsschiebenden Heerwurm von Kleinvieh, Packtieren und Ochsenkarren, und in den Schrecken, der ihn befiel, als die

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