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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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das Verlangen nach dem Holz und dem Geld hinweghelfe: Dieser Jebsche also, spitzbärtig und vom Halse bis zu den Knöcheln in bunte Wolle gewickelt, war bei Jaakob eingekehrt, um seine Meinungen zu erfahren, sein Brot zu brechen und vor der Weiterreise gegen das Meer hinab bei ihm zu übernachten, und Jaakob hatte den Boten gastfrei aufgenommen und ihm nur bedeuten lassen, er möge das Bild der Aschtarti, eine Frauenfigur in Hosen, mit Krone und Schleier, die ihre winzigen Brüste mit beiden Händen erfaßt hielt, nicht in seine Nähe bringen, sondern abseits halten. Sonst aber war er ihm vorurteilslos begegnet, eingedenk einer altüberlieferten Geschichte von Abraham, der einen greisen Götzendiener im Zorne von sich in die Wüste gejagt, wegen seiner Unduldsamkeit aber vom Herrn einen Verweis empfangen und den verblendeten Alten zurückgeholt hatte.
    Bedient von zwei Sklaven in frischgewaschenen Leinenkitteln, dem alten Madai und dem jungen Mahalaleël, hatte man, um die Teppichmatte auf Kissen hockend (denn Jaakob hielt an dieser Vätersitte fest und wollte vom Sitzen auf Stühlen, wie es bei den Vornehmen der Städte nach dem Muster der großen Reiche im Osten und Süden gebräuchlich war, nichts wissen), das Nachtmahl genommen: Oliven, ein gebratenes Zicklein und von dem guten Brote Kemach als Zukost, schließlich ein Pflaumen- und Rosinenkompott aus kupfernen Bechern und syrischen Wein dazu aus bunten Glasschalen. Dabei waren zwischen Wirt und Gast besonnene Gespräche geführt worden, denen wenigstens Joseph mit aller Aufmerksamkeit gelauscht hatte, – Gespräche privaten und öffentlichen Charakters, welche das Göttliche sowohl wie das Irdische und auch das politische Gerücht zum Gegenstand gehabt hatten: über des Mannes Jebsche Familienumstände und sein amtliches Verhältnis zu Aschirat-jaschur, dem Herrn der Stadt; über seine Reise, zu der er sich der durch die Ebene Jesreel und das Hochland führenden Straße bedient hatte und die auf des Gebirges gangbarer Wasserscheide zu Esel vonstatten gegangen war, die aber Jebsche von hier hinab gen Philisterland auf einem morgen in Hebron zu erstehenden Kamele fortzusetzen gedachte; über die Vieh- und Kornpreise seiner Heimat; über den Kultus des Blühenden Pfahles, Aschera’s von Taanakh, und ihren »Finger«, das hieß: ihr Orakel, durch welches sie die Erlaubnis erteilt hatte, eines ihrer Bilder als Aschera des Weges auf Reisen zu schicken, damit es das Herz Riphath-Baals von Gaza erquicke; über ihr Fest, das jüngst mit allgemeinen und ungezügelten Tänzen und einem unmäßigen Fischessen begangen worden und wobei Männer und Weiber zum Zeichen der von den Priestern gelehrten Mann-Weiblichkeit oder Zwiegeschlechtigkeit Aschera’s die Kleider getauscht hatten. Hier hatte Jaakob den Bart gestrichen und Zwischenfragen von besonnener Spitzfindigkeit gestellt: so, wie es denn um den Schutz der Stätte Taanakh bestellt sei, solange Aschera’s Bild sich auf Reisen befinde; wie der Verstand das Verhältnis des reisenden Bildes zur Herrin der Heimat sich auszulegen habe und ob nicht diese durch die Abwanderung eines Teiles ihrer Wesenheit empfindliche Einbuße an Kraft erleide. Darauf hatte der Mann Jebsche geantwortet, daß, wenn dies der Fall wäre, Aschera’s Finger sich kaum in dem Sinne gezeigt haben würde, man möge sie auf den Weg senden, und daß die Priester lehrten, die gesamte Kraft der Gottheit sei in jedem ihrer Bilder gegenwärtig und von gleichmäßig vollkommener Wirksamkeit. Ferner hatte Jaakob milde darauf hingewiesen, daß, wenn Aschirta Mann und Weib, also Baal und Baalat zugleich sei, Göttermutter und Himmelskönig, man sie nicht nur der Ischtar gleichachten müsse, von der man aus Sinear, sowie der Eset, von der man aus dem unreinen Ägypterlande höre, sondern auch dem Schamasch, Schalim, Addu, Adon, Lachama oder Damu, kurzum dem Weltenherrn und höchsten Gotte, und alles laufe darauf hinaus, daß es sich am letzten Ende um El eljon, den Gott Abrahams, den Schöpfer und Vater, handle, den man nicht auf Reisen schicken könne, weil er über allem walte, und dem mit Fischessen gar nicht, sondern nur damit gedient sei, daß man in Reinheit vor ihm wandle und ihn auf dem Angesichte verehre. Doch war er mit solcher Betrachtung bei dem Manne Jebsche nur auf geringes Verständnis gestoßen. Dieser vielmehr hatte erklärt: gleichwie die Sonne stets aus einem bestimmten Wegzeichen wirke und in demselben erscheine, wie sie ihr Licht den

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