Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
Hinterkopf rundlich verlängerte und neben der ihre großen, dünnen und feingedrechselten Ohren standen, in dem ätherischen Plissee ihres Gewandflusses, der Nabel und Schenkel durchscheinen ließ, während die Brust von einem Schulter-Überfall und vom glitzernden Blütenkragen bedeckt war, näherte sie sich zögernd dem jungen Gatten, der sich, noch immer etwas keuchend, mit gerührter Bewegung nach ihr umwandte.
    »Da bist du, goldene Taube, mein süßes Bettgeschwister!« sagte er mit zitternder Stimme, umfing sie und küßte sie auf Augen und Mund, wobei ihrer beider Stirnschlangen sich ebenfalls küßten. »Ich mußte dich sehen und dir, wenn auch nur flüchtig, Liebe erweisen, es kam gesprächsweise so über mich. War dir mein Ruf nicht beschwerlich? Ist dir nicht übel im Augenblick von deinem heiligen Zustand? Meine Majestät tut wohl unrecht, dich danach zu fragen, denn mit der Frage rühre ich an dein Inneres, das sich gerade dadurch erinnern und zur Übelkeit aufgeregt werden könnte. Du siehst, mit welcher Feinheit der König alles versteht. Ich wäre nur dem Vater so dankbar, wenn du heute vermocht hättest, unser erlesenes Frühstück bei dir zu behalten. Nichts mehr davon ... Du siehst dort die ewige Mutter thronen, und dieser da mit der Leier ist ein fremder Zauberer und Wahrsager, der mir meine reichswichtigen Träume gedeutet hat und schalkhafte Geschichten weiß, sodaß ich ihn möglicherweise in einer höheren Charge am Hofe behalten werde. Er hat im Gefängnis gelegen, aus Irrtum offenbar, wie das vorkommt. Auch Nefer-em-Wêse, mein Mundschenk, hat irrtümlich im Gefängnis gelegen, während sein Genosse, der verstorbene Fürst des Gebäkkes, schuldig war. Von zweien, die im Gefängnis liegen, scheint einer immer unschuldig zu sein, und von dreien zweie. Das sage ich als Mensch. Als Gott und König aber sage ich, daß Gefängnisse trotzdem notwendig sind. Als Mensch denn auch küsse ich dich heiligen Liebling hiermit wiederholt auf Augen, Wangen und Mund, und du darfst dich nicht wundern, daß ich es in Gegenwart nicht nur der Mutter, sondern auch des wahrsagenden Fremdlings tue, da du weißt, daß Pharao es liebt, ausdrücklich den Menschen hervorzukehren. Ich denke darin sogar noch weiter zu gehen. Du weißt das noch nicht, auch Mamachen weiß es noch nicht, darum nehme ich die Gelegenheit wahr, es euch anzukündigen. Ich habe vor und gehe mit dem Gedanken um, eine Lustfahrt auf der königlichen Barke ›Stern beider Länder‹ anzuberaumen, zu der das Volk, aus Neugier teils und teils auf Befehl, an beiden Ufern zusammenströmen soll. Da will ich, ohne Amuns Ersten vorher gefragt zu haben, mit dir sitzen, heiliger Schatz, unter dem Baldachin und dich auf meinen Knien halten und dich des öfteren recht innig küssen vor allem Volk. Das wird ein Ärger sein dem von Karnak, aber dem Volk wird es Jubel entlocken und wird ihm eine schöne Lehre bringen nicht nur über unser Glück, sondern, was die Hauptsache ist, auch über Wesen, Geist und Güte meines Vaters am Himmel. Ich freue mich, daß ich diesen Vorsatz nun ausgesprochen habe. Denke aber nicht, daß ich dich deswegen herbeirief! Die Mitteilung ist mir nur so untergelaufen. Ich rief dich einzig und allein aus plötzlich unüberwindlicher Sehnsucht, dir Zärtlichkeit zu erweisen. Das ist geschehen. Geh’ denn, mein Kronschatz! Pharao ist aus der Maßen beschäftigt und hat über Dinge von hohem Belang zu ratschlagen mit dem lieben, unsterblichen Mamachen und mit diesem Jüngling-Mann, der, mußt du wissen, vom Schlage des inspirierten Lammes ist. Geh’, hüte dich sorgfältig vor Stoß und Schreck! Laß dich zerstreuen mit Tanz und Saitenspiel! Es soll unter allen Umständen Merytatôn heißen, wenn du glücklich niederkommst, und wenn es dir recht ist. Ich sehe, es ist dir recht. Dir ist immer alles recht, was Pharao meint. Wollte doch nur die ganze Welt es sich recht sein lassen, was er meint und lehrt, so stünde es besser um sie. Ade, Schwanenhals, Morgenwölkchen, goldumsäumt, – so lange!«
    Die Königin entschwebte wieder. Hinter ihr schloß sich die Bildertür, fugenlos. Amenhotep kehrte gerührt und verschämt auf seinen Kissenstuhl zurück.
    »Glückliche Länder«, sagte er, »denen eine solche Herrin zuteil ward, und ein Pharao, den sie so glücklich macht! Habe ich recht, das zu sagen, Mamachen? Stimmst du mir zu, Wahrsager? Wenn du an meinem Hofe bleibst als Traumdeuter des Königs, so werde ich dich vermählen, das ist

Weitere Kostenlose Bücher