Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Wandel. Doch sah er sie zerstieben vorm Winken des Morgensterns, – der allerdings schön war, von zwiefacher Beschaffenheit und reich an Geschichten, doch schwach nur, zu schwach für das, was er ankündigte, sodaß er davor erblaßte und hinschwand. Armer Morgenstern!«
»Spare dein Mitleid!« gebot Amenhotep. »Hier gilt es Triumph! Denn wovor erblaßte er, und wer erschien gemäß seiner Verkündigung?« fragte er so stolz und drohend er konnte.
»Nun, freilich, die Sonne«, erwiderte Joseph. »Welch eine Versuchung für den, der anzubeten begehrt! Vor ihrer Güte und Grausamkeit bückten sich rings die Völker der Erde. Wie gut, welche Rast und Wohltat, die eigene Andacht der ihren zu einen und sich gemeinsam mit ihnen zu bücken! Allein des Ahnen Vorsicht war grenzenlos und unerschöpflich sein Vorbehalt. Nicht, sprach er, kommt es auf Rast und Wohltat an, sondern darauf allein, nur ja die große Ehrengefahr zu vermeiden, daß sich der Mensch zu früh und nicht vorm Letzthöchsten bücke. ›Gewaltig bist du‹, sprach er zu Schamasch-Maruduk-Baal, ›und ungeheuer ist deine Segens- und Fluchgewalt. Doch etwas ist in mir Wurm, das dich übersteigt und das mich warnt, das Zeugnis für das zu nehmen, wovon es zeugt. Je größer das Zeugnis, desto größer der Fehl, wenn ich mich verführen lasse, es anzubeten statt des Bezeugten. Göttlich ist das Zeugnis, aber nicht Gott. Auch ich bin ein Zeugnis nebst meinem Dichten und Trachten, das über die Sonne geht zu dem, wovon es gewaltiger zeugt als sogar sie, und dessen Glut größer ist denn der Sonne Glut.‹«
»Mutter«, flüsterte Amenhotep, ohne die Augen von Joseph zu wenden, »was habe ich gesagt? Nein, nein, ich habe es nicht gesagt, ich habe es nur gewußt, es ist mir gesagt worden. Als es mich letzthin ergriff und mir Offenbarung zuteil wurde zur Verbesserung der Lehre – denn sie ist nicht vollendet, nie habe ich behauptet, daß sie fertig sei – da hörte ich meines Vaters Stimme, die zu mir sprach: ›Ich bin die Glut des Atôn, die in ihm ist. Aber Millionen Sonnen konnte ich speisen aus meinen Gluten. Nennst du mich den Atôn, so wisse, daß verbesserungsbedürftig ist die Benennung, und daß du mich damit nicht bei meinem letzten Namen nennst. Mein letzter Name aber ist: Der Herr des Atôn.‹ So hörte es Pharao, des Vaters geliebtes Kind, und brachte es mit aus der Ergriffenheit. Aber er schwieg darüber und vergaß es mittelst des Schweigens. Pharao hat Wahrheit in sein Herz gesetzt, denn der Vater ist die Wahrheit. Aber haftbar ist er für den Triumph der Lehre, daß alle Menschen sie annehmen, und er ängstigt sich, daß, eine Lehre so zu verbessern und zu reinigen, daß sie nur noch lautere Wahrheit sei, bedeuten könnte, sie unlehrbar zu machen. Dies ist eine schwere Angst und Not, die man keinem begreiflich macht, auf dem nicht soviel Haftbarkeit liegt wie auf Pharao, und leicht ist’s, ihm zu sagen: ›Du hast nicht Wahrheit in dein Herz gesetzt, sondern die Lehre.‹ Aber die Lehre ist das einzige Mittel, die Menschen näher zu bringen zur Wahrheit. Man soll sie verbessern; tut man es aber in dem Grade, daß sie untauglich wird als Mittel der Wahrheit, – ich frage den Vater und euch: Wird nicht dann erst der Vorwurf wahr, daß man die Lehre ins Herz geschlossen habe zum Schaden der Wahrheit? Seht, der Pharao zeigt den Menschen das Bild des ehrwürdigen Vaters, von seinen Künstlern gemacht: die goldene Scheibe, von der Strahlen hinabgehen auf seine Schöpfung, in süße Hände endigend, die die Schöpfung liebkosen. ›Betet an!‹ spricht er. ›Dies ist der Atôn, mein Vater, dessen Blut in mir rollt, und der sich mir offenbarte, der aber euer aller Vater sein will, daß ihr schön und gut in ihm werdet.‹ Und er fügt hinzu: ›Verzeiht, liebe Menschen, daß ich streng bin mit euren Gedanken! Ich schonte gern eure Einfalt. Aber es muß sein. Darum sage ich euch: Nicht das Bild sollt ihr anbeten, indem ihr es anbetet, und nicht ihm Hymnen singen, indem ihr singt, sondern dem, wovon es das Bild ist, versteht ihr wohl?, dem wirklichen Sonnenrund, meinem Vater droben am Himmel, der der Atôn ist, denn das Bild ist’s noch nicht.‹ Schon das ist hart; es ist eine Zumutung den Menschen, und von hundert begreifen es zwölfe. Sagt aber der Lehrer nun gar: ›Noch eine Anstrengung muß ich euch ansinnen über diese hinaus um der Wahrheit willen, so leid es mir tut um eure Einfalt. Denn das Bild ist des Bildes Bild und eines Zeugnisses
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