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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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mein Beschluß. Ich werde dir selbst die Braut erlesen, deiner Charge gemäß, aus den höheren Ständen. Du weißt nicht, welche Annehmlichkeit es ist, vermählt zu sein. Für meine Majestät ist es, wie dir mein Plan, die öffentliche Lustfahrt betreffend, gezeigt hat, geradezu Ausdruck und Schaubild meines menschlichen Teils, an dem ich hange, mehr, als ich sagen kann. Denn siehe, Pharao ist nicht hochmütig – und wer in aller Welt sollte es also sein? An dir, mein Freund, spüre ich leider, bei übrigens gefälligen Sitten, eine Art Hochmut, – ich sage: eine Art, denn ich kenne deinen Hochmut nicht, vermute aber, daß er mit dem zusammenhängt, was du uns anzeigtest, daß du auf eine Weise aufgespart und geheiligt seist, nämlich dem Schweigen und dem Unteren, als ob dir ein Opferkranz um die Stirn läge aus einem Grün namens ›Rühr mich nicht an‹ – gerade deswegen kam mir der Gedanke, dich zu vermählen.«
    »Ich bin in der Hand des Höchsten«, antwortete Joseph. »Was er mir tut, wird Wohltat sein. Pharao weiß nicht, wie notwendig mir Hochmut war, daß er mich schützte vor Übeltat. Aufgespart bin ich Gott allein, der meines Stammes Bräutigam ist, und wir sind die Braut. Wie es aber von dem Sterne heißt: ›Am Abend ein Weib und am Morgen ein Mann‹, so tritt wohl, ist es an dem, aus der Braut der Freier hervor.«
    »Dem Sohn des Schelmen und der Lieblichen mag eine solche Doppelnatur zukommen«, sagte der König weltmännisch. »Doch«, setzte er hinzu, »laß uns ernst und nicht spielend reden vom Wichtigsten! Euer Gott, wer ist er und was ist es mit ihm? Versäumt hast du, oder vermieden, mich darüber ins Klare zu setzen. Deines Vaters Ältervater, sagst du, hat ihn entdeckt? Das klingt, als hätte er den wahren und einzigen Gott gefunden. Sollte es möglich sein, daß so fern von mir und so lange vor mir ein Mann es ausmachte, daß der wahre und einzige Gott das Sonnenrund ist, der Schöpfer von Blick und Erblicktem, mein ewiger Vater am Himmel?«
    »Nein, Pharao«, antwortete Joseph lächelnd. »Beim Sonnenrund blieb er nicht stehen. Er war ein Wanderer, und selbst die Sonne war nur eine Station seiner mühsamen Wanderschaft. Unruhvoll war er und ungenügsam – nenne es Hochmut, daß er so war, so versiehst du das Tadel-Wort mit dem Zeichen der Ehre und Unentbehrlichkeit. Denn des Mannes Hochmut war, daß der Mensch solle allein dem Höchsten dienen. Darum ging sein Trachten über die Sonne hinaus.«
    Amenhotep hatte sich verfärbt. Vorgebeugt saß er, auch den Kopf in der blauen Perücke noch vorgestreckt, und preßte sein Kinn mit den Fingerspitzen zusammen.
    »Mamachen, jetzt gib acht! Um alles in der Welt, gib acht!« stieß er leise hervor, wandte aber dabei nicht etwa den Kopf seiner Mutter zu, sondern seine grauen Augen waren starr und ohne Lidschlag an Joseph geheftet, so angestrengt, als wollten sie die Schleier zerreißen, die über ihnen lagerten.
    »Weiter, du!« sagte er. »Halt! Halt und weiter! Er blieb nicht stehen? Er drang über die Sonne hinaus? Sprich! Oder ich spreche selbst, weiß ich auch nicht, was ich sprechen werde.«
    »Er machte es sich schwer aus notwendigem Hochmut«, sprach Joseph, »darum wurde er gesalbt. Er überkam viele Versuchungen der Anbetung, denn anbeten wollte er, aber das Höchste und den Höchsten allein, nur so schien’s ihm schicklich. Erde, die Mutter, versuchte ihn, die die Früchte bringt und das Leben erhält. Aber er sah ihre Notdurft, die nur der Himmel stillt, und so wandte sein Blick sich nach oben. Ihn versuchte der Wolken Gewühl, das Sturmgetüm, der Prasselregen, der blaue Blitz, der ins Nasse fährt, des Donners polternde Stimme. Er aber schüttelte den Kopf ob ihrer Zumutung, denn seine Seele lehrte ihn, sie alle seien nur zweiten Ranges. Nichts besseres waren sie, seiner Seele zufolge, als er selbst, – vielleicht geringer sogar, obgleich gewaltig. Gewaltig, meinte er, sei auch er in seiner Art, vielleicht gewaltiger, und seien sie über ihm, so nur im Raum, nicht aber im Geiste. Sie anbeten, fand er, heiße zu nah und niedrig beten, und lieber garnicht, sagte er sich, als zu nah und zu niedrig, denn das sei ein Greuel.«
    »Gut«, sagte Amenhotep, fast ohne Stimme und knetete sein Kinn. »Gut, halt, nein, weiter! Mutter, gib acht!«
    »Ja, was versuchte den Ahn nicht alles an großen Erscheinungen!« fuhr Joseph fort. »Der Sterne Heer war auch darunter, der Hirt und die Herde. Die waren wohl fern und hoch und groß ihr

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