Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
der Raum der Welt, so ist doch die Welt nicht sein Raum. Fern ist die Sonne, wohl dreihundertsechzigtausend Meilen fern, und ihre Strahlen sind doch bei uns. Der ihr aber die Wege wies, ist ferner als fern und doch nah in demselben Maß – näher als nah. Fern oder nah, das gilt gleichviel vor ihm, denn er hat keinen Raum, noch eine Zeit, und ist gleich die Welt in ihm, so ist doch er nicht in der Welt, sondern im Himmel.«
»Hast du das gehört, Mama?« fragte Amenhotep mit kleiner Stimme und Tränen in den Augen. »Hast du die Botschaft gehört, die mein himmlischer Vater mir sendet durch diesen Jüngling-Mann, dem ich gleich etwas ansah, als er hereinkam, und der mir meine Träume deutet? Denn ich will es nur sagen, daß ich nicht alles gesagt habe, was mir gesagt wurde in der Ergriffenheit, sondern indem ich’s verschwieg, hab’ ich’s vergessen. Als ich aber hörte: ›Nicht den Atôn sollst du mich nennen, sondern den Herrn des Atôn‹, da vernahm ich auch dies noch: ›Rufe mich nicht an als deinen Vater am Himmel, es ist verbesserungsbedürftig. Deinen Vater im Himmel sollst du mich heißen!‹ So hab’ ich’s gehört und verschloß es in mir, weil mir vor der Wahrheit bangte um der Lehre willen. Aber den ich aus dem Gefängnis zog, der öffnet das Gefängnis der Wahrheit, daß sie daraus hervortritt in Schönheit und Licht und sich Lehre und Wahrheit umarmen, wie ich diesen umarme.«
Und mit nassen Wimpern arbeitete er sich empor aus seinem vertieften Stuhl, umarmte Joseph und küßte ihn.
»Ja«, rief er, indem er aufs neue, die Hände auf dem Herzen, in der kretischen Halle auf und ab zu eilen begann, vom Bienen-Vorhang bis zu den Fenstern und wieder zurück, – »ja, ja, im Himmel und nicht am Himmel, ferner als fern, und näher als nah, das Sein des Seins, das nicht in den Tod blickt, das nicht wird und stirbt, sondern ist, das stehende Licht, das nicht aufgeht noch untergeht, die unwandelbare Quelle, aus der all Leben, Licht, Schönheit und Wahrheit quillt, – das ist der Vater, so offenbart er sich Pharao, Seinem Sohn, der Ihm am Busen liegt, und dem Er alles zeigt, was Er gemacht hat. Denn Er hat alles gemacht, und Seine Liebe ist in der Welt, und die Welt kennt ihn nicht. Pharao aber ist ein Zeuge und trägt Zeugnis von Seinem Licht und Seiner Liebe, daß durch ihn alle Menschen selig werden und glauben mögen, ob sie auch jetzt noch die Finsternis mehr lieben als das Licht, das in ihr scheint. Denn sie verstehen es nicht, darum sind ihre Taten übel. Aber der Sohn, der aus dem Vater kam, wird es sie lehren. Goldener Geist ist das Licht, Vatergeist, und zu ihm ringt die Kraft sich empor aus Muttertiefen, daß sie sich läutere in seiner Flamme und Geist werde im Vater. Unstofflich ist Gott, wie sein Sonnenschein, Geist ist er, und der Pharao lehrt euch, ihn im Geiste und in der Wahrheit anzubeten. Denn der Sohn kennt den Vater, gleich wie der Vater ihn kennt, und will königlich alle belohnen, die ihn lieben und an ihn glauben und seine Gebote halten, – groß machen will er sie und vergolden am Hof, weil sie den Vater lieben im Sohne, der aus ihm kam. Denn meine Worte sind nicht mein, sondern meines Vaters, der mich gesandt hat, damit alle eins werden im Lichte und in der Liebe, so wie ich und der Vater eins sind ...«
Er lächelte allzu selig und erblich zugleich auf den Tod, lehnte sich, die Hände auf dem Rücken, gegen die Bilderwand, schloß die Augen und blieb so zwar aufrecht, war aber augenscheinlich nicht mehr zugegen.
Der verständige und weise Mann
Teje, die Mutter, trat die Stufe hinab von ihrem Stuhl in den Saal und näherte sich mit kurzen und festen Schritten dem Fortgeholten. Sie betrachtete ihn einen Augenblick, strich ihm in flüchtiger Liebkosung mit dem Rücken der Finger über die Wange, was er offenbar nicht gewahr wurde, und wandte sich dann zu Joseph.
»Er wird dich erhöhen«, sagte sie mit bitterem Lächeln. Aber ihr aufgeworfener Mund und seine Falten waren wohl so eingerichtet, daß ihr Lächeln immer nur bitter sein konnte.
Joseph sah erschrocken zu Amenhotep hinüber.
»Unbesorgt«, sagte sie, »er hört uns nicht. Er ist heilig unpaß und abwesend, es ist nicht schlimm. Ich wußte, daß es dies Ende nehmen werde, da er soviel von Freude und Zärtlichkeit sprach. Das läuft immer hierauf hinaus und manchmal auf Heilig-Schlimmeres. Schon als er vom Mäuschen und Küken sprach, wußte ich, daß es so kommen werde, mit Bestimmtheit aber, als er dich
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