Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
sind, und unsere Ziegen auf den Bergen, die widerhallen von Haß? Hinweg, Dummköpfe! Untersteht euch! Sehet mir draußen nach dem Rechten, ob die Dreiwöchigen das Fressen annehmen, daß geschont werde die Milch der Mütter. Geht und sammelt das Haar der Kamele, daß wir Grobzeug haben, zu kleiden die Knechte und Hüterknaben, denn es ist die Zeit, da sie’s abwerfen. Geht mir, sage ich, und prüfet die Seile der Zelte und die Ösen des Zeltdachs, ob nichts verfault ist, damit kein Unglück geschehe und einstürze das Haus über Israel. Ich aber, daß ihr es wißt, will mich gürten und hingehen unter das Tor der Stadt und reden in Frieden und Weisheit mit den Bürgern und mit Hemor, ihrem Hirten, auf daß wir uns vertragen mit ihnen gültig und schriftlich und Land von ihnen erwerben und Handel treiben mit ihnen zu unserm Nutzen und nicht zum Schaden für jene.«
Der Vertrag
So geschah es. Jaakob hatte sein Lager unweit der Stadt bei einer Gruppe alter Maulbeerbäume und Terebinthen aufgeschlagen, die ihm heilig schien, in einem welligen Gebreite von Wiesen und Ackerland, von wo man auf die kahlen Klippen des Ebalberges blickte und aus dem nahebei der oben felsige, unten aber gesegnete Garizim sich erhob, und von hier sandte er drei Männer mit hübschen Geschenken für Hemor, den Hirten, nach Schekem; ein Bündel Tauben, Brote aus trockenen Früchten gepreßt, eine Lampe in Entenform und ein paar schöne Krüge, die mit Fischen und Vögeln bemalt waren, und ließ sagen, Jaakob, der große Reisende, wolle mit den Oberen der Stadt unterm Tor über Verbleib und Rechte verhandeln. Man war erleichtert und entzückt zu Schekem. Die Stunde der Begegnung ward angesetzt, und da sie erfüllt war, kamen hervor aus dem Osttore Hemor, der Gichtige, mit dem Staat seines Hauses und mit Sichem, seinem Sohn, einem zappligen Jüngling; auch Weser-ke-Bastet im Blumenkragen kam aus Neugierde mit hervor nebst einigen Katzen, und andererseits stellte Jaakow ben Jizchak voller Würde sich ein, begleitet von Eliezer, seinem ältesten Knechte, umgeben von seinen großjährigen Söhnen, denen er vollkommene Höflichkeit geboten hatte für diese Stunde; und so traf man einander unter dem Tor und hielt Zusammenkunft dort und davor: Denn das Tor war ein schwerer Bau, der vorsprang hallenartig nach außen und innen, und innen war Markt- und Gerichtsplatz, und viel Volks hatte sich hinter den Großen dorthin gedrängt, um zuzusehen der Beratung und dem Geschäfte, das sich mit allen Umständlichkeiten schöner Gesittung einleitete und nur sehr zögernd überhaupt in Angriff genommen wurde, so daß die Zusammenkunft sechs Stunden dauerte und die Händler auf dem Marktplatze drinnen mit dem Volke gute Geschäfte machten. Nach den ersten Reverenzen ließen die Parteien sich, einander gegenüber, auf Feldsesseln, Matten und Tüchern nieder; Erfrischungen wurden gereicht: Würzwein und Dickmilch mit Honig; lange war nur von der Gesundheit der Häupter und ihren Lieben die Rede, dann von den Reiseverhältnissen auf beiden Seiten des »Abflusses«, dann von noch fernerliegenden Dingen; dem aber, weswegen man zusammengekommen war, näherte man sich wie widerwillig und mit Achselzucken, mehrmals davon wieder abweichend und auf eine Weise, als schlage man einander vor, doch lieber gar nicht davon zu reden, eben weil es das eigentlich zu Beredende, die Sache, der Gegenstand war, welchem um höherer Menschlichkeit willen der Schein des Verächtlichen notwendig gewahrt bleiben mußte. Ist es doch schlechthin der Luxus der Übersachlichkeit und der Scheinvorrang ehrenhalber der schönen Form, eingerechnet den hochherzig unbekümmerten Zeitverbrauch um ihretwillen, welche das menschlich Würdige, nämlich das mehr als Natürliche und also Gesittete eigentlich ausmachen.
Der Eindruck, den die Städter von der Persönlichkeit Jaakobs empfingen, war der vorzüglichste. Wenn nicht auf den ersten Blick, so doch schon nach wenig Austausch wußten sie, wen sie vor sich hatten. Das war ein Herr und Gottesfürst, vornehm durch Geistesgaben, die auch seine gesellschaftliche Person veredelten. Was hier seine Wirkung übte, war derselbe Adel, der in den Augen des Volkes von jeher das Merkmal der Nachfolge oder Wiederverkörperung Abrahams ausgemacht und, von der Geburt ganz unabhängig, auf Geist und Form beruhend, diesem Mannesschlage die geistliche Führerschaft gesichert hatte. Die ergreifende Sanftheit und Tiefe von Jaakobs Blick, sein vollendeter Anstand, die
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