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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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in allen Farben und Lebensaltern, sondern auch von toten, denn mehrere gewickelte Katzenmumien lehnten an den Wänden seines Quartiers, und weinend brachte er ihnen Mäuse und Milch als Opfergaben dar. Zu dieser Weichheit stimmte seine Blumenliebe, die als Ergänzung und Gegengewicht männlicherer Neigungen hätte ein schöner Zug genannt werden können, aber in Ermangelung solcher entmutigend wirkte. Beständig ging er mit einem breiten Kragen aus frischen Blumen umher, und der untergeordnetste Gegenstand seines Bedarfes mußte mit Blumen umkränzt sein – es war im einzelnen geradezu lächerlich. Seine Kleidung war durchaus bürgerlich: er zeigte sich in weißem Batistrock, durch den man den Unterschurz sah, Arme und Rumpf mit Bändern umschlungen, und nie hatte man ein Panzerkleid, nie eine andere Waffe an ihm beobachtet als ein Stöckchen. Nur auf Grund einer gewissen Schreibfertigkeit war »Beset« überhaupt Offizier geworden.
    Was seine Leute betraf, um die er sich übrigens fast nicht kümmerte, so führten sie zwar die Kriegstaten eines früheren Königs ihres Landes, Thutmose’s des Dritten, und des ägyptischen Heeres, das unter ihm in siebzehn Feldzügen die Lande bis zum Strome Euphrat erobert hatte, mit inschriftenhafter Prahlerei im Munde, stellten aber selber ihren Mann hauptsächlich beim Vertilgen von Gänsebraten und Bier und hatten sich bei anderen Gelegenheiten, so bei einer Feuersbrunst und bei einem Beduinenüberfall auf die zum Stadtbereich gehörenden offenen Ortschaften, als ausgemachte Feiglinge erwiesen – und zwar namentlich, sofern sie gebürtige Ägypter waren, denn es gab auch einige gelbliche Libyer und sogar ein paar nubische Mohren darunter. Wenn sie, nur um sich sehen zu lassen, mit ihren hölzernen Schilden, ihren Lanzen, Sicheln und dreieckigen Lederblättern vor den Schurzen durch Schekems krumme Gassen, durch das Gedränge der Eselund Kamelreiter, der Wasser- und Melonenverkäufer, der Feilschenden vor den Gewölben sich einen Weg bahnten, gebückt, im Geschwindschritt, als seien sie auf der Flucht, so verständigten die Bürger sich hinter ihrem Rükken durch wegwerfende Mienen. Im übrigen unterhielten Pharaos Krieger sich mit den Spielen »Wieviel Finger?« und »Wer hat dich geschlagen?« und sangen zwischendurch Lieder vom schwierigen Lose des Soldaten, besonders desjenigen, der gezwungen sei, im elenden Amulande sein Leben zu fristen, statt sich desselben zu freuen an den Ufern des barkenreichen Lebensspenders und unter den bunten Säulen von »No«, der Stadt schlechthin, der Stadt ohnegleichen, No Amun, der Gottesstadt. Daß Schicksal und Schutz von Schekem ihnen nicht mehr wog als ein Getreidekorn, konnte leider nicht bezweifelt werden.
    Die Zurechtweisung
    Die Unruhe der Städter nun aber wäre noch lebhafter gewesen, wenn sie die Gespräche hätten belauschen können, welche die älteren Söhne des heranziehenden Häuptlings untereinander führten, – die Schekem nur allzu nahe angehenden Pläne, die diese verstaubten und unternehmend blickenden jungen Leute mit halben Stimmen erwogen, bevor sie sie vor ihren Vater brachten, der sie ihnen freilich mit aller Entschiedenheit verwies. Ruben oder Re’uben, wie der älteste eigentlich genannt wurde, war um jene Zeit siebzehnjährig, Schimeon und Levi zählten sechzehn und fünfzehn Jahre, Bilha’s Dan, ein anschlägiger und tückischer Junge, war ebenfalls fünfzehn und der schlanke und rasche Naphtali so alt wie der starke, aber schwermütige Juda, nämlich vierzehn. Das waren die Jaakob-Söhne, die an jenen Heimlichkeiten teilnahmen. Gad und Ascher, obgleich mit ihren elf und zehn Jahren auch schon stämmige und geistig vollreife Burschen, blieben damals noch außen, zu schweigen von den drei Jüngsten.
    Um was ging es? Nun, um das, worüber man sich auch in Schekem Gedanken machte. Die draußen die Köpfe zusammensteckten, diese von der Sonne Naharina’s bis zur Schwärzlichkeit gebräunten Gesellen in ihren gegürteten Zottenkitteln und mit ihrem von Fett starrenden Haar, waren ziemlich wild aufgewachsene, bogen- und messerfrohe Steppensöhne und Hirtenjungen, gewöhnt an Begegnungen mit Wildstieren und Löwen, gewöhnt an ausgiebige Raufereien mit fremden Hütern um einen Weideplatz. Von Jaakobs Sanftmut und Gottesdenkertum war wenig auf sie gekommen; ihr Sinn war handfest praktisch gerichtet, voll eines nach Beleidigung und Anlaß zum Kampfe geradezu ausspähenden Jugendtrotzes und Stammesdünkels, welcher

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