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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sein, daß wir ihm ausreden müssen, was wir ihm einstmals eingeredet durch das blutige Kleid, und woran er nun hängt. Und wird uns am Ende mehr gram sein, weil wir’s ihm nehmen, als weil wir’s ihm antaten. Sicherlich wird er sich sperren und uns nicht glauben, und das ist auch wieder gut und erforderlich. Eine Zeit lang soll und darf er uns garnicht glauben, denn glaubte er’s gleich, es streckte ihn hin. Ja, wie es ihm sagen, daß nicht die Freude zu jäh für ihn sei und nicht übergroß die Gramesenttäuschung? Das Beste wäre, wir brauchten ihm garnichts zu sagen, sondern könnten ihn hinabführen nach Ägyptenland und ihn vor Joseph stellen, seinen Sohn, daß er ihn mit Augen sähe und sich alle Worte erübrigten. Aber es wird schon schwer genug sein, ihn nach Mizraim zu bringen auf die fetten Triften, selbst wenn er weiß, daß Joseph dort lebt; darum, wissen muß er’s zuvor, sonst geht er gewiß nicht. Nun aber hat die Wahrheit ja nicht nur Worte, sondern auch Zeichen, als da sind: des Erhöhten Geschenke und Pharao’s Wagen zu unsrer Beförderung, – die werden wir ihm zeigen, vielleicht sogar zuerst, vor allem Reden, und ihm dann die Zeichen erklären. An den Zeichen aber wird er erkennen, wie freundlich der Erhöhte es mit uns meint und wie wir ein Herz und eine Seele sind mit dem Verkauften, also, daß der Alte uns auch nicht lange wird zürnen können, wenn es herauskommt, noch uns verfluchen, – kann er denn auch Israel verfluchen, zehne von zwölfen? Das kann er ja garnicht, denn löcken hieße es gegen Gottes Rat, der den Joseph vor uns her gesandt hat zum Quartiermacher in Ägyptenland. Darum denn, Kinder, fürchten wir uns nicht allzu sehr! Die Stunde wird’s geben, und der Augenblick wird es uns einflüstern, wie wir es deichseln. Erst einmal breiten wir die Geschenke vor ihm aus, die Güter Ägyptens, und fragen: ›Woher kommt das wohl, Vater, und von wem mag es kommen? Rate einmal! Ei, vom großen Markthalter drunten kommt es, er sendet es dir. Da er’s dir aber sendet, so muß er dich wohl sehr lieben? So muß er dich wohl fast lieben, wie ein Sohn seinen Vater liebt?‹ Sind wir aber erst beim Wörtchen Sohn, so haben wir schon halben Weg gemacht, so sind wir schon aus dem Dicksten. Denn dann reiten wir noch eine Weile auf dem Worte herum und sagen allmählich nicht mehr: ›Das schickt dir der Markthalter‹, sondern: ›Das schickt dir dein Sohn. Joseph schickt es dir, weil er nämlich lebt und ein Herr ist in ganz Ägyptenland!‹«
    So planten sie, die Elfe, und berieten sich jeden Tag und jede Nacht unterm Zelt, und fast zu rasch für ihre Besorgnis ging die schon vertraute Reise zu Ende: von Menfe hinauf gegen die Grenzfesten und durch’s Greuliche dann gegen Philisterland und gen Gaza, den Hafen Chazati am Meer, wo sie sich von dem Handelszug trennten, dem sie sich angeschlossen, und zogen landeinwärts von da ins Gebirge hinauf gegen Hebron in kleinen Tagemärschen und noch lieber in Nachtmärschen; denn es war blumiger Frühling, da sie kamen, und die Nächte waren schon lieblich, versilbert vom nahezu vollschönen Mond; und da es ihnen beschwerlich war, wie ihr geschwollener Aufzug mit den ägyptischen Wagen, Mäulern und Knechten und einer Eselherde, fast fünfzig Stück stark, überall die Neugier der Leute erregte und machte, daß sie gaffend zusammenliefen, so pflegten sie tags sich still zu halten und nächtlicher Weile der Heimat näher zu rücken, den Terebinthen des Haines Mamre, wo das härene Haus des Vaters war und die Hütten standen der meisten von ihnen.
    Den letzten Tag freilich waren sie frühe aufgebrochen und fanden sich nachmittags um die fünfte Stunde dem Ziele schon nah, wenn sie von der Halde, über die sie da zogen, das Sippenlager auch noch nicht sahen, denn bekannte Hügel verbargen es ihnen. Sie hatten den Troß in einigem Abstande hinter sich gelassen und ritten voran, elf nachdenkliche Eselreiter, die alle Rede eingestellt hatten, denn ihre Herzen schlugen, und trotz so vieler Verabredung wußte keiner mehr recht, wie es anzufangen sei, daß sie’s dem Vater steckten, ohne daß es ihn umwürfe. So nahe bei ihm, mißfiel ihnen alles, was sie sich früher vorgenommen; sie fanden’s nämlich ungeziemend und namentlich solches Zeug wie »Rate einmal!« und »Wer denn wohl?« schien ihnen greulich abgeschmackt und völlig unpassend in dieser Sache; ein jeder verwarf und verschmähte es bei sich selbst, und einige suchten im letzten Augenblick

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