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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Neues an seine Stelle zu setzen: Vielleicht, daß man Einen voranschicken sollte, Naphtali, den Geläufigen, damit er Jaakob verkünde, sie seien im Anzuge mit Benjamin und brächten große, unglaubliche Kunde, – unglaublich, teils in dem Sinn, daß man sie nicht glauben könne , teils auch vielleicht sogar, weil sie so sehr gegen alle Gewöhnung ginge, daß man sie garnicht glauben wolle – und dennoch sei sie Gottes lebendige Wahrheit. So, dachte einer oder der andere, ließe sich das Vaterherz vielleicht am besten für den Empfang der Nachricht stimmen und dafür zubereiten durch einen Vorläufer, ehe die übrigen nachkämen. Sie ritten im Schritt.
    Verkündigung
    Es war eine harsche, steinige Halde, wo ihre Tiere schritten, war aber doch über und über vom Frühling beblümt. Größeres Geröll lag umher, und viel kleiner Schutt bedeckte dazu den Grund; aber wo nur was Weiches war und, so schien es, selbst aus der Härte hervor, wucherte unbezähmbar der wilde Flor, – Blumen weithin, weiß, gelb, himmelblau, rosig und purpurn, Blumen zu Hauf, Blumen in Büscheln und Kissen, ein Überschwang bunter Lieblichkeit. Der Frühling hatte sie gerufen, und sie waren hervorgeblüht zu ihrer Stunde, auch ohne Winterregen, der Tau der Frühe schien ihnen genug zu sein, wenn auch nur für eine flüchtige, rasch welkende Pracht. Auch die Sträucher, die hier und da im Gebreite standen, blühten weiß und rosa, da es ihre Zeit war. Nur leichtes Gewölk flockte hoch in der Bläue des Himmels.
    Auf einem Stein, an dem die Blumen emporschäumten wie die Wellen am Riff, saß eine Gestalt, selbst blumenhaft, von Weitem gesehen, ein zartes Mägdlein, wie sich bald zeigte, allein unterm Himmel, in rotem Hemdkleid, Margeriten im Haar, im Arm eine Zither, darauf sich ihre feinen, bräunlichen Finger ergingen. Es war Serach, des Ascher Kind; ihr Vater erkannte sie schon aus der Ferne vor allen anderen und sprach vergnügt:
    »Serach sitzt da auf dem Stein, meine Kleine, und gaukelt sich eins auf ihrer Klampfe. Das sieht ihr gleich, dem Balg, sie sitzt gern einsam und übt sich in Psaltern. Ist von der Klasse der Geiger und Pfeifer, das Ding, Gott weiß, wo sie’s her hat; es ist ihr in die Wiege gelegt, daß sie psalmen und psaltern muß, und macht’s gut auf dem Saitenspiel mit Schalle, mischt auch ihre Stimme darein im Lobgesang, volltönender, als sich’s einer versehen sollte von ihrem Grillenleib, und wird noch ein Ruhm werden in Israel, der Grasaff. Seht, jetzt merkt sie uns, wirft die Arme und läuft uns entgegen. Holla Serach, dein Vater Ascher kommt heim mit den Onkeln!«
    Da war das Kind schon heran: auf bloßen Füßen lief sie durch die Blumen zwischen den Felsbrocken dahin, daß an ihren Handgelenken und Fußknöcheln die Silberringe klirrten und auf ihrem schwarzen Scheitel der weißgelbe Kranz sich hüpfend verschob. Sie lachte keuchend vor Freude des Wiedersehens und rief atemknappe Begrüßungsworte; aber selbst ihr Seufzen und ihre Kurzatmigkeit hatten etwas Klingendes und Tönendes, wovon man nicht wohl begriff, woher es komme, da sie noch so dürftig bei Leibe war.
    Sie war recht, was man ein Mägdlein nennt, kein Kind mehr und auch eine Jungfrau noch nicht, allenfalls zwölf Jahre alt. Aschers Weib galt für eine Ur-Enkelin Ismaels, – hatte Serach von dem schönen und wilden Halbbruder Isaaks etwas ins Blut bekommen, das sie singen machte? Oder, da ja die Eigenschaften der Menschen die seltsamsten Umwandlungen erfahren in ihren Nachkommen, – waren Vater Aschers leckere Lippen und feuchte Augen, seine Neugier und seine Lust zur Gefühls- und Gesinnungsbündelei in der kleinen Serach zum Musikantentum geworden? Das mögt ihr allzu kühn und weit hergeholt finden, auf des Vaters Leckermäuligkeit die Sangeslust und -kunst des Kindes zurückzuführen. Aber was versucht man nicht, um eine so kuriose Wiegengabe wie Serachs Psalterei zu erklären!
    Die Elfe sahen von ihren hochbeinigen Eseln auf das Mägdlein herab, sagten ihr Grußworte, streichelten sie und bekamen sinnende Augen dabei. Die Mehrzahl stieg ab von den Eseln und stellte sich um Serach herum, die Hände auf dem Rücken, nickend und die Köpfe wiegend, mit »So, so« und »Ei, ei«, und »Schau einer an!« und »Was, Liedermäulchen, kommst du uns vor die Hufe gelaufen zu allererst, da du hier zufällig saßest und es auf der Githith triebst nach deiner Art?« Schließlich aber sagte Dan, der Schlange und Otter genannt war:
    »Kinder, hört, ich

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