Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
genötigt, mit den Kräften, die mir verbleiben, genauestens hauszuhalten und sie zu bewirtschaften mit Maß und Sparsamkeit, denn noch bei verschiedenen Gelegenheiten werde ich sie brauchen, besonders zu allerletzt noch, und muß meine Bewegungen und Worte schonen. Darum, mein Sohn, wird dieses unser Gespräch nur kurz sein und sich auf das sachlich Notwendige und Wichtige beschränken, denn mich zu verausgaben in überflüssigen Worten, wäre wider Gott. Sogar könnte es sein, daß ich schon einiges Überflüssiges geredet habe. Habe ich das allein Wichtige ausgesprochen und es dir in Form eines dringenden Ansuchens vorgetragen, so magst du, wenn deine Zeit es erlaubt, noch ein Stündchen stille bei mir sitzen, an meinem zukünftigen Sterbebett, nur wegen des Beieinanderseins, ohne mich zu redendem Kräfteverbrauch zu veranlassen. Schweigend werde ich das Haupt an deine Schulter lehnen und denken, daß du es bist, und wie die Einzig-Rechte dich mir gebar zu Mesopotamien unter übernatürlichen Schmerzen, wie ich dich verlor und dich gewissermaßen wiedergewann durch Gottes außerordentliche Güte. Als du aber geboren warst bei gipfelnder Sonne und lagst in der Hängewiege zur Seite der Jungfrau, die ein kurzatmig Lied der Erschöpfung sang, da war es um dich wie ein Scheinen von Annehmlichkeit, das ich wohl zu erkennen wußte nach seiner Bewandtnis, und deine Augen, wie du sie aufschlugst bei meiner Berührung, waren blau dazumal wie das Himmelslicht und wurden erst später schwarz, mit einem Schelmenblitz in der Schwärze, der schuld daran war, daß ich dir hier in der Hütte, dort weiter vorn, das Bilder-Brautkleid vermachte. Ich will vielleicht darauf zu sprechen kommen zu allerletzt, – jetzt ist es wahrscheinlich überflüssig und wider die Sparsamkeit. Es ist für das Herz sehr schwer, zwischen notwendiger und unnötiger Rede wirtschaftlich zu unterscheiden. – Siehe, da streichelst du mich begütigend zum Zeichen deiner Liebe und Treue. Da will ich anknüpfen, – auf deine Liebe und Treue will ich die Bitte gründen, die ich an dich habe, und will darauf bauen bei dem sachlichen Ansuchen, das ich an dich richten will unter Vermeidung jedes überflüssigen Wortes. Denn Joseph-el, mein erhöhtes Lamm, die Zeit ist herbeigekommen, daß ich sterben soll, und bin ich auch keineswegs schon im letzten Begriffe zu sterben, so ist Jaakob doch in seine Sterbezeit eingetreten und in die Zeit der letztwilligen Worte. Wenn ich aber denn nun meine Füße zusammentue und werde zu meinen Vätern versammelt, so möchte ich nicht in Ägypten begraben sein, nimm mir’s nicht übel, ich möchte das nicht. Auch im Lande Gosen hier, wo wir sind, zu liegen, wäre, ob es auch hier noch nicht allzu ägyptisch ist, meinen Wünschen entgegen. Ich weiß wohl, daß der Mensch, wenn er tot ist, keine Wünsche mehr hat und es ihm gleich ist, wo er liegt. Aber solange man lebt und wünscht, liegt einem doch daran, daß dem Toten geschehen möge nach den Wünschen des Lebenden. Ich weiß ferner wohl, daß gar viele von uns, Tausende nach ihrer Zahl, werden in Ägypten begraben sein, ob sie geboren sind hier oder noch geboren im Lande der Väter. Ich aber, ihr aller Vater und deiner, ich kann mich nicht überwinden, ihnen in diesem Punkte ein Beispiel zu geben. Mit ihnen bin ich gekommen in dein Reich und deines Königs Land, da dich Gott uns als Wegeöffner vorausgesandt; im Tode aber ist es mein Wunsch, mich von ihnen zu trennen. Habe ich Gnade vor dir gefunden, so lege die Hand unter meine Hüfte, wie Eliezer dem Abram tat, und schwöre mir, daß du mir wirst die Liebe und Treue erweisen und mich nicht im Lande der Toten begraben, sondern bei meinen Vätern will ich liegen und zu ihnen versammelt sein. Darum sollst du mein Gebein aus Ägypten führen und es beisetzen in ihrem Begräbnis, das da heißt Machpelach oder die zwiefache Höhle zu Hebron im Lande Kanaan. Abraham liegt dort, der ehrenvoll Ausgedehnte, den in der Höhle seiner Geburt ein Engel säugte in Gestalt einer Ziege; neben Sarai liegt er darin, der Heldin und Himmelshöchsten. Das verwehrte Opfer liegt dort, Jizchak, der spät Empfangene, mit Rebekka, Jaakobs und Esau’s klug entschlossener Mutter, die alles berichtigte. Und auch Lea liegt dort, die Erst-Erkannte, die Mutter der Sechse. Bei ihnen allen will ich liegen und sehe wohl, daß du mit kindlicher Andacht und bereit zum Gehorsam meinen Wunsch entgegennimmst, wenn auch ein Schatten des Zweifels und stiller
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