Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
jetzt neben ihm auf der Höhe. »Weißt du«, sagte er mit einer Stimme, die schon auffallend tief und männlich aus seinen sehr roten Lippen kam, »das hält man nicht aus, diesen Schneckengang des Wagens. Ich freue mich schon darauf, wenn wir zurückreiten, du und ich.« – »Ich bin neugierig«, antwortete Josef, »ob du, wenn du erst das Schiff siehst, nicht doch bedauerst, daß du nicht mitfährst.« – »Aber nein!« erwiderte stürmisch der Knabe. »Ich möchte meine Lehrzeit nicht in Judäa durchmachen, nicht die bei der Armee und nicht die bei den Ämtern.« Josef sah das lebendige Gesicht seines Sohnes, und er war froh, daß er sich entschlossen hatte, ihn in Rom zu behalten. Jugend, Erwartung, tausend Hoffnungen leuchteten aus den heftigen Augen des Knaben. »Von der Lehrzeit bei Hofe ganz abgesehen?« ergänzte Josef den Satz des Matthias. Das war ein wenig unbedacht, er sah es an der heftigen Wirkung, welche diese Worte auf den Knaben ausübten. Es war nämlich die Lehrzeit im Heere, die bei den Ämtern und die bei Hofe der übliche Bildungsgang für die Söhne der aristokratischen Geschlechter. Die Lehrzeit bei Hofe aber war nicht leicht zu erlangen, sie galt als hohe Auszeichnung, und man mußte sehr gute Beziehungen zum Palatin haben, wollte man dort aufgenommen werden. »Glaubst du wirklich«, fragte Matthias zurück, und sein ganzes Gesicht war ein einziges begehrliches Leuchten, »daß das möglich wäre? Würdest du’s mir erlauben? Würdest du’s mir erwirken?« – »Versprich dir nichts!« versuchte rasch Josef seine übereilten Worte wiedergutzumachen. »Ich hab es noch nicht zur Genüge bedacht, ich kann noch gar nichts sagen. Gib dich zufrieden, mein Matthias, daß du den Winter noch in Rom bleibst! Oder bist du’s nicht? Genügt’s dir nicht?« – »Doch, doch«, erwiderte eilig Matthias aus ehrlichem Herzen. »Nur«, bedachte er, und seine Augen wurden ganz groß, wie er davon träumte, »was wäre es für ein Triumph, was würde Caecilia dazu sagen, wenn ich zur Lehrzeit bei Hofe zugelassen würde!«
Josef brauchte seinen Matthias nicht lange zu fragen, was es mit dieser Caecilia auf sich hatte. Sie war die Schwester eines Schulkameraden seines Jungen, und sie hatte ihm einmal im Streit vorausgesagt, er werde am rechten Tiberufer enden, wo die armen Juden wohnten, als Hausierer. Sonst hatte Matthias niemals unter seinem Judentum gelitten. Josef hatte ihn in eine Schule geschickt, wo er der einzige Jude war, es war vorgekommen, daß seine Schulkameraden ihn um seines Judentums willen ausgelacht haben. Er, Josef, hätte dergleichen als Junge kaum verwunden. Er hätte Monate, Jahre darüber gegrübelt, er hätte diejenigen gehaßt, die ihn ausgespottet. Sein Matthias war über den Hohn der andern offenbar mehr verwundert als gekränkt, er hat ihn nicht schwergenommen, er hat sich mit ihnen geprügelt, und er hat mit ihnen gelacht, und er hat sich alles in allem gut mit den andern vertragen. Nur die Äußerung dieser kleinen Caecilia ist ihm haftengeblieben. Aber im Grunde ist das Josef ganz recht. Im Grunde ist es ihm recht, daß sein Junge Ehrgeiz hat.
Der Wagen kam heran. Josef ritt eine Weile neben Mara. Er war voll von Zärtlichkeit für sie, er liebte auch seine andern Kinder, Jalta und Daniel. Wie aber kam es, daß er sich jetzt seinem Sohne Matthias so tief verbunden fühlte, mehr verbunden als den andern? Vor einem Jahr noch hat er es im wesentlichen Mara überlassen, den Heranwachsenden zu erziehen. Jetzt begreift er das nicht mehr. Jetzt ist in ihm eine kleine Eifersucht, daß er ihn ihr so lange gelassen hat, und das Herz schwillt ihm bei dem Gedanken, daß er nun den Winter allein mit ihm verbringen wird. Wie kommt es, daß man plötzlich eines seiner Kinder soviel mehr liebt als die andern? Der Herr hatte ihn gesegnet seinerzeit mit Simeon, dem ersten Sohne der Mara, er aber hatte sich diesen Segen entgleiten lassen und ihn töricht selber vertan. Dann hat der Herr ihn bestraft und verflucht mit Paulus. Nun hat er ihn ein zweites Mal gesegnet, mit Matthias, und diesmal wird er den Segen nicht vertun. Dieser Matthias wird seine Erfüllung sein, sein Cäsarion, die vollendete Mischung aus Griechentum und Judentum. Mit Paulus ist es ihm nicht geglückt, diesmal wird es ihm glücken.
Am übernächsten Tag dann war man in Brundisium. Das Schiff »Felix« lag bereit; am nächsten Tag, am frühen Morgen, wird man in See stechen. Noch einmal, zum zwanzigsten Male,
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