Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
sprach Josef mit Mara alles durch, was es zu bereden gab. Empfehlungsbriefe an den Gouverneur in Cäsarea hatte er ihr bereits ausgehändigt, desgleichen ein Schriftstück mit wichtigen Anweisungen des Johann von Gischala, die sie mit seinem Verwalter Theodor nochmals überdenken sollte. Das Wesentliche war, daß sie sich mit Theodor verstand, damit dieser in dem Knaben Daniel einen guten Verwalter heranziehe. Daniel war ein ruhiger Junge, nicht dumm und nicht gescheit, er freute sich auf Judäa und auf das Gut Be’er Simlai; wenn Josef im Frühjahr selber nach Be’er Simlai kommt, wird er dort einen guten Helfer vorfinden. Kein Wort wurde an diesem letzten Tag gesprochen über die persönlichen Beziehungen Josefs zu Mara. Sie hatten so vieles miteinander erlebt, Gutes und Böses; Mara, wiewohl sie nicht die tiefe Menschenkenntnis Josefs besaß und seiner Philosophie nicht folgen konnte, wußte besser Bescheid um ihn als irgendwer sonst auf der Welt, und er wußte das, er wußte, daß sie ihn liebte mit einer fraulichen und mütterlichen Liebe, die jede seiner Schwächen kannte, sie auf stille Art bekämpfte und sie hinnahm.
Der Knabe Matthias hatte das Schiff sogleich gründlich durchmustert bis in den letzten Winkel. Es war ein wackeres Schiff, seetüchtig und geräumig, aber ihm wäre es viel zu langsam gewesen. Eifrig setzte er das seinem Vater und seinem Bruder Daniel auseinander; er hoffte sehr, wenn er im Frühjahr mit dem Vater fahren wird, dann werden sie ein schnelleres Schiff haben als diese »Felix«. Schnell zu fahren, vor dem Wind, mit allen Segeln, auf einem schlanken, schmalen, ungeheuer schnellen Schiff, darauf freute er sich, seine Augen glänzten.
Am Tag darauf dann war es soweit. Josef und Matthias standen am Kai, Mara stand an der Reling mit den Kindern. Noch immer ging der angenehme, belebende Wind, noch immer waren die geschäftigen, kleinen, weißen Wolken am Himmel. Ringsum, auf dem Schiff und am Kai, war Geschrei und Betrieb. Langsam dann drehte sich das Geländer vom Land weg, mit ihm die Gesichter Maras und der Kinder. Josef stand am Kai und schaute, er schaute gesammelt, sein Blick trank die drei ganz in sich ein, er dachte an all das Gute, das er in den vielen Jahren seiner Gemeinschaft mit Mara erlebt hatte. Ihre Stimme kam vom Schiff. »Komm mit dem ersten Schiff im Frühjahr!« rief sie, sie sprach aramäisch, und im Wind und im Geschrei ringsum waren ihre Worte nicht weit zu verstehen. Und dann war das Schiff schon eine ganze Strecke fort vom Kai, und der abfälligen Meinung des Matthias zum Trotz fuhr es schnell in dem günstigen Wind.
Josef schaute nach, bis keine Gesichter mehr zu erkennen waren, nur mehr der gleitende Umriß des Schiffes, und während dieser Zeit waren alle seine Gedanken gesammelt und voll Herzlichkeit bei Mara. Dann aber, kaum hatte er sich weggewandt, war es, als sei mit dem Anblick des Schiffes auch sie selber verschwunden, und er dachte nur mehr an den schönen Winter in Rom, der ihm bevorstand, an den Winter mit seinem Sohne Matthias.
Es wurde eine fröhliche Rückreise. Josef und sein Sohn ritten schnell, sie ließen den Reitknecht auf seinem schlechten Mietklepper weit zurück. Josef fühlte sich leicht und vergnügt, er spürte nicht seine Jahre. Er schwatzte mit dem Knaben, und schnell und heiter kamen und gingen ihm die Gedanken.
Wie liebte er ihn, diesen Matthias, jetzt in Wahrheit seinen Ältesten! Denn Simeon ist tot und Paulus unerreichbar noch, als wenn er tot wäre. Mit einem kleinen Frösteln denkt er daran, daß Mara in das Land fährt, in dem Paulus lebt, ein Feind jetzt, der schlimmste Feind, der sich denken läßt.
Aber er hat ja nun seinen Matthias, den ganzen Winter wird er seinen Matthias haben. Wie anders ist die Offenheit dieses seines Matthias als seine eigene, wenn er sich noch so ehrlich geben will! Des Matthias Wesen schließt die andern auf, es gewinnt ihm die Herzen; er hingegen, Josef, hat nie maßzuhalten gewußt, und wenn er sich vor einem Dritten ausschüttet, dann muß er manchmal die Erfahrung machen, daß dieser Dritte, unbehaglich vor solcher Maßlosigkeit, von ihm zurückweicht.
Wieso nur ist es gekommen, daß sich seine ganze Liebe auf einmal auf diesen seinen Sohn Matthias geworfen hat? Diese ganzen Jahre hat der Knabe neben ihm hergelebt, und er, Josef, hat ihn eigentlich gar nicht gesehen. Jetzt, da er ihn sieht, weiß er, daß dieser Matthias keineswegs so begabt ist wie Paulus
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