Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Mein Porträtist Dakon macht so etwas ausgezeichnet. Übrigens wäre es ganz gut, wenn Sie jetzt auch in Person ein bißchen mehr den Weltmann Josephus herauskehrten als den weitabgewandten Stubengelehrten. Es könnte nichts schaden, wenn Sie sich zum Beispiel den Bart wieder abkratzen ließen.«
Josef nahm die grobfädigen Reden des Mannes gerne hin, da er die ehrliche Anerkennung durchspürte, und Regin war ein Kenner. In letzter Zeit ging dem Josef wieder alles gut hinaus. Das Interesse des Regin verbürgte beinahe den äußeren Erfolg der Universalgeschichte, und Josef sehnte sich nach einem solchen Erfolg. Die Zeit, da es ihn gleichgültig gelassen hatte, daß man seine Ehrenbüste aus dem Friedenstempel entfernte, war vorbei.
Josef nahm denn auch die gute Stimmung des Regin wahr, um die andere Angelegenheit zur Sprache zu bringen, die ihn jetzt beschäftigte, die Lehrzeit des Matthias. Es war sehr unüberlegt gewesen, daß er dem Jungen Hoffnung gemacht hatte auf eine Lehrzeit bei Hofe. Helfen in dieser Angelegenheit konnte ihm eigentlich nur Claudius Regin.
Josef legte ihm also den Fall dar. Es war nun mehr als ein Jahr her, daß Matthias seine Bar Mizwah gefeiert hatte, seine Aufnahme in die jüdische Gemeinschaft, es war an der Zeit, daß er endlich auch die Toga anlegte und damit zum römischen Mann und Bürger erklärt würde. Bei dieser Gelegenheit pflegte man zu verkünden, welche Laufbahn der junge Mann einzuschlagen gedenke. Josef wünschte sich und seinem Sohne, daß der nicht nur die Lehrzeit im Heer und in den Ämtern, sondern auch die bei Hofe absolvieren könnte. Es drängte ihn, dem Regin, den er sich freund wußte, mehr zu sagen. »Ich fühle mich«, erklärte er, »diesem meinem Matthias mehr verbunden als meinen andern Kindern. Matthias soll meine Erfüllung sein, mein Cäsarion, die vollendete Mischung aus Griechentum und Judentum. Mit Paulus ist es mir nicht geglückt.« Es war das erstemal, daß er das einem andern so offen zugab. »Er hat zuviel heidnisches Erbteil in sich, der Grieche Paulus, er hat sich gegen meinen Plan gesträubt. Matthias ist ganz mein Sohn, er ist Jude und willig.«
Regin hatte den unordentlich rasierten, fleischigen Kopf gesenkt, so daß die schweren, schläfrigen Augen unter der vorgebauten Stirn nicht zu sehen waren. Aber er hatte gut zugehört. »Ihre Erfüllung?« nahm er das Wort auf, und mit freundschaftlicher Ironie fragte er weiter: »Welcher Josef soll sich und welcher Josef wird sich in diesem Matthias erfüllen, der Stubengelehrte oder der Politiker und Soldat? Hat er Ehrgeiz, Ihr Matthias?« Und ohne seine Antwort abzuwarten, schloß er: »Bringen Sie mir den Jungen her in den nächsten Tagen! Ich will ihn mir anschauen. Und dann will ich sehen, ob ich Ihnen einen Rat geben kann.«
Als dann Josef einige Tage später mit Matthias in der Villa des Regin vor dem Tore ankam, wohin der Minister ihn geladen hatte, empfing ihn der Sekretär. Regin war unvermutet zum Kaiser befohlen worden, hoffte aber, den Josephus nicht zu lange warten lassen zu müssen. »Hier ist übrigens etwas, was Sie vielleicht interessieren wird«, meinte mit höflicher Beflissenheit der Sekretär und zeigte dem Josef das Porträt, das der Maler Dakon soeben für die Universalgeschichte übersandt hatte.
Ein wenig geängstigt und gleichwohl fasziniert, mit glänzenden Augen starrte Josef auf das Porträt. Aber neugieriger noch beschaute es der Knabe. Der braune, lange Kopf, die heftigen Augen, die starken Brauen, die hohe, vielfach gebuckelte Stirn, die lange, leicht gekrümmte Nase, das dichte, schwarzglänzende Haar, die dünnen, geschwungenen Lippen, war dieses nackte, stolze, edle Gesicht das seines Vaters? »Wenn ich es nicht gewußt hätte«, sagte er, und seine Stimme kam tief, männlich dunkel und so bewegt aus seinen sehr roten Lippen heraus, daß der Sekretär hochsah, »wenn ich es nicht gewußt hätte, dann hätte ich gezweifelt, ob du das bist, mein Vater. So also kannst du sein, wenn du willst.« – »Wir müssen uns der Welt wohl alle ein wenig anders zeigen, als wir sind«, erwiderte Josef mit einem Versuch zu scherzen und ein wenig unbehaglich. Fast war ihm bange geworden vor dem Ehrgeiz, mit dem der Junge den Vater zu idealisieren trachtete. Im übrigen aber beschloß er, nun wirklich dem Rate des Regin zu folgen und sich den Bart abnehmen zu lassen.
Der Sekretär schlug ihnen vor, im Park spazierenzugehen, bis Regin komme. Es war
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