Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
sagte er: »Was für ein lächerliches Volk sind die Juden, in solchen Leuten Thronprätendenten zu sehen! Waren die beiden nicht komisch in ihrem einfältigen Stolz?«
»Diese waren komisch«, antwortete Norban, und er legte den Ton auf das »diese«. Da wurde Domitian sehr rot, und dann wieder blaß, und dann wieder rot. Denn Norban hatte recht; diese waren komisch, andere Davidssprossen aber, Josephus und sein Sohn, waren durchaus nicht komisch, und neu aufstand in Domitian die Furcht vor Josephus und vor seinem Gotte Jahve.
Soweit hatte die Unterredung mit den Davidssprossen genau die Wirkung, die sich Norban davon versprochen hatte. Dann aber nahm sie einen Weg, der dem Polizeiminister keineswegs erwünscht sein konnte. Der Kaiser nämlich, argwöhnisch, wie er war, sagte sich plötzlich, sehr wohl möglich sei es, ja wahrscheinlich, daß Norban mit Absicht diese Gedanken in ihm habe entstehen lassen. Darum vermutlich hatte Norban von Anfang an soviel Gewicht gelegt auf diese beiden Davidssprossen, denen er ja sicher so gut wie er selber angesehen hatte, wie harmlos sie waren.
Auch Norban also hat offenbar von Anfang an erkannt, wie gefährlich Josephus war, und wenn er ihn, den Kaiser, auf diese Gefahr aufmerksam gemacht hat, so hat der Treue nur seine Pflicht getan, hat sie übrigens mit einem Takt erfüllt, den er, Domitian, dem plumpen Manne nie zugetraut hätte. Trotzdem, es ist schwer erträglich, daß dieser Norban seine Gedanken so genau erraten kann; es grenzt an Aufruhr, daß dieser Untertan sich erkühnt, den Gedanken des Gottes Domitian ihre Bahn vorschreiben zu wollen. Er hat diesen Norban zu nah an sich herangelassen. Jetzt ist einer in der Welt, der ihn zu genau kennt. Gefühle solcher Art bewegen den Kaiser, es sind keine Gedanken, so weit läßt er das Verworrene nicht erst Gestalt annehmen, aber er kann nicht verhindern, daß sein Blick, der den Kopf seines Polizeiministers mustert, Mißtrauen zeigt, etwas wie Furcht. Das dauert freilich nur einen Teil eines Augenblicks; denn das Gesicht, das er sieht, ist kräftig, verlässig, brutal, das Gesicht eines treuen Hundes, genau das Gesicht des Polizeiministers, wie er ihn sich wünscht.
Norban hat ihm mit der Zuführung der Davidssprossen eine willkommene Unterhaltung geboten, er hat ihn willkommene Einblicke tun lassen. Er ist seinem treuen Polizeiminister dankbar dafür, er sagt das auch, aber er entläßt ihn schnell, beinahe abrupt.
Allein, überlegt er. Was diesen Kampf gegen Jahve so besonders schwer macht, das ist, daß er sich eigentlich in dieser Sache keinem Menschen ganz anvertrauen kann. Norban ist treu, aber seine Seele ist nicht subtil genug, um etwas so Kompliziertes, Abgründiges, wie die Feindschaft dieses unsichtbaren, ungreifbaren Jahve, ganz zu erfassen, und überdies will ihn der Kaiser nun nicht noch tiefer in sein Inneres hineinblicken lassen. Marull und Regin würden vielleicht verstehen, worum es in diesem Kampfe geht. Aber selbst wenn er sich ihnen mit großen Mühen verständlich machen könnte, was dann hätte er erreicht? Die beiden sind alte Männer, lässig, duldsam, liberal, keine Kämpfer, wie dieser Kampf sie erfordert, in dem es hart auf hart geht. Annius Bassus wäre ein guter Kämpfer, aber er ist nun bestimmt zu simpel für einen so schlauen und schwer faßbaren Feind. Bleibt Messalin. Der hat Kopf genug, zu erfassen, wer der Feind ist und wo er steht, er hat Mut und Kraft genug, und er ist treu. Aber die Erinnerung ist in Domitian an das Unbehagen, als er wahrnehmen mußte, wie ihn sein Norban durchschaute. Er wird sich an Messalin wenden, doch erst dann, wenn er sich allein durchaus nicht mehr zurechtfindet.
Er wird sich aber zurechtfinden. Vor seinem Schreibtisch sitzt er, die Schreibtafel hat er herausgezogen. Er grübelt. Er sucht sich zu sammeln. Es gelingt nicht. Die Gedanken zerrinnen ihm. Wohl gräbt sein Griffel in das Wachs der Schreibtafel, aber es sind keine Worte, die er formt, sondern mechanisch zeichnet er Kreise und Ringe. Und mit Schreck nimmt er wahr, daß es die Augen der Minerva sind, die er geformt hat, die großen, runden Eulenaugen, die ihm jetzt leer und ohne Licht und ohne Rat bleiben.
Und mit einemmal ist ihm die Gefahr, die ihn so oft bedroht hat, der Meuchelmord, den ihm seine Gegner so oft angekündigt haben, nichts Wesenloses mehr, kein Abstraktum, wie es einem blühenden Manne in seinem Alter der Tod zu sein pflegt, der ihn in fernen Jahren
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