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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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von vornherein jeden Verdacht, daß es sich bei den Beziehungen zwischen Lucia und dem Juden um eine Bettfreundschaft handeln könnte. Ginge es um fleischliche Lust, dann würden die beiden ihre Beziehungen verstecken. Statt dessen hat der Jude, offenbar verblendet durch seinen Gott, ihm vor ganz Rom und unter dem Beifall der Kaiserin den Streit verkündet.
      Das einfachste wäre natürlich, sie allesamt zu zertreten, den Juden Josephus und seine Frucht, den Knaben Matthias, und Lucia dazu. Aber Domitian weiß leider sehr gut, daß diese einfachen Mittel keineswegs so radikal wirken, wie man glauben sollte. Es haben sich zu viele von dem Gift des jüdischen Wahnwitzes anstecken lassen, und der Tod einiger Angesteckter schreckt die andern nicht, sondern macht sie nur noch gieriger nach dem Gift. Irrwahn wird, wenn Menschen dafür sterben, nicht bitter, sondern süß.
      Wie rottet er die östliche Tollheit aus? Jedes Mittel ist ihm recht, List, Liebe, Drohung. Doch wo findet er ein Mittel? Er findet keines.
      Er sammelt sich, er betritt seine Hauskapelle, er wendet sich um Rat an seine Göttin, an die Göttin der Klarheit, an Minerva. Er schmeichelt ihr, droht ihr, schmeichelt ihr von neuem. Versenkt sich in sie. Mit seinen großen, vorgewölbten, kurzsichtigen Augen starrt er in die großen, runden Eulenaugen der Göttin. Doch sie läßt sich nicht zwingen, sie steht ihm nicht Rede, stumm und dunkel mit ihren Tieraugen schaut sie ihn an. Er aber fleht von neuem, nimmt alle Kraft zusammen, beschwört sie. Und zuletzt gelingt es ihm doch, er reißt das Wort aus ihr heraus, sie tut den Mund auf, sie spricht. »Oh, mein Domitian«, sagte sie, »mein Bruder, mein Liebster, mein Schützling, warum zwingst du mich, daß ich dir spreche? Denn mein liebes Herz schmerzt mich, daß ich dir sagen muß, was ich dir nicht sagen möchte. Aber Jupiter und die Schicksale haben es mir befohlen. Höre also und bleibe mutig. Ich muß fort von dir, ich darf dir nicht länger raten, mein Bild hier in deiner Hauskapelle wird eine leere Hülle sein und ohne Leben. Oh, wie bin ich traurig, Domitian, mein sehr geliebter! Aber ich muß dir fernbleiben fortan, ich darf dich nicht länger beschützen.«
      Die Knie wurden Domitian weich, der Atem setzte ihm aus, sein ganzer Körper schwamm in kaltem Schweiß, er mußte sich an die Wand lehnen. Er sagte sich, es sei nicht die Stimme seiner Minerva gewesen, sein Feind, der Gott Jahve, habe aus ihrem Bild gesprochen, trügerisch, um ihn zu ängstigen. Ein Tagtraum sei es gewesen, eines jener falschen Gesichte, wie sie so häufig sind im Lande Jahves und von denen ihm sein Soldat Annius Bassus erzählt hat. Doch diese Tröstungen nützten nichts, die blasse, kalte Furcht blieb.
      Seine Feindschaft gegen die Menschen und sein Mißtrauen wuchsen. Er gab seinem Hofmarschall und seinem Gardepräfekten Order, den Zugang zu ihm mit allen Mitteln zu erschweren und einen jeden, der das Palais betrat, noch schärfer nach Waffen untersuchen zu lassen. Und er beauftragte seine Architekten, auf dem Palatin sowohl wie in Alba die Wohn- und Empfangsräume mit einem spiegelnden Metall zu verkleiden, so daß er, wo immer er stand, ging oder lag, jeden wahrnehmen könne, der ihm nahe.
      So also hatte der Kaiser seine Tage in Alba verbracht, als ihn der Polizeiminister aufsuchte. Er freute sich, Norban zu sehen. Er freute sich darauf, aus der Welt seiner Träume hinaufzutauchen in die Welt der Tatsachen. Neugierig und wohlwollend, ja mit einer gewissen Zärtlichkeit, schaute er seinem Norban in das treue, brutale und verschlagene Gesicht und hatte wie immer seine Freude daran, die modischen Locken des tiefschwarzen, dicken Haares unordentlich und etwas grotesk in die Stirn des vierschrötigen Antlitzes fallen zu sehen.
      »Also«, forderte er ihn auf und setzte sich bequem zurecht, »und jetzt lassen Sie mich ausführlich hören, was es in Rom Neues gibt!« Das tat denn auch Norban, er erstattete eingehenden Bericht über die letzten Ereignisse in Stadt und Reich, und seine kräftige, feste Stimme war wirklich dazu angetan, die wüsten Träume des Kaisers zu verscheuchen und ihn zurückzuführen in die nüchterne Wirklichkeit.
      »Und was hören wir aus Bajae?« fragte nach einer Weile der Kaiser. Norban hatte sich vorgenommen, über Lucia, Josephus und Matthias so wenig wie möglich zu sprechen, der Kaiser sollte von alleine auf die Zusammenhänge kommen. »Aus Bajae?« wiederholte er behutsam.

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