Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
»Die Kaiserin fühlt sich dort wohl, soweit ich unterrichtet bin. Sie treibt viel Sport, sie schwimmt, wiewohl es noch so früh im Jahr ist, sie veranstaltet Ruderrennen in der Bucht, sie hat viele Menschen um sich, Menschen jeder Art, sie beschäftigt sich mit Büchern.« Er machte eine ganz kleine Pause, dann aber konnte er sich doch nicht enthalten, hinzuzufügen: »Sie hat sich zum Beispiel von dem Juden Josephus aus seinem neuen Buch vorlesen lassen, das, wie meine Herren mir berichten, eine glühende Verteidigung des jüdischen Aberglaubens ist, ohne indes die erlaubte Grenze zu überschreiten.« – »Ja«, erwiderte der Kaiser, »es ist ein heftiges und sehr vaterländisches Buch. Wenn sich mein Jude Josephus so unverstellt zeigt, ist er mir lieber, als wenn er seine römisch-griechisch-jüdische Mischmaschweisheit verkündigt. Im übrigen«, erwog er weiter, genau wie seinerzeit Norban selber, »ist es nicht weiter verwunderlich, wenn sich mein Jude Josephus in Bajae aufhält, da die Kaiserin seinen Sohn in ihr Gefolge aufgenommen hat.« Und da Norban schwieg, setzte er hinzu: »Sie ist sehr zufrieden mit diesem jungen Sohne des Josephus, höre ich.« Norban hätte gern über Josephus und seinen jungen Sohn allerlei geäußert, aber er hatte sich nun einmal vorgesetzt, es nicht zu tun, und blieb seinem Vorsatz treu. Er schwieg.
»Und was sonst?« fragte Domitian. »Eigentlich nichts mehr«, antwortete Norban. »Höchstens noch dies, daß ich dem Herrn und Gott Domitian einen kleinen, amüsanten Zeitvertreib vorschlagen könnte. Vielleicht erinnert sich Eure Majestät daran, daß wir einmal in einer erheiternden Zusammenkunft mit einigen jüdischen Doktoren festgestellt haben, die Juden sähen in den Nachkommen eines gewissen Königs David Anwärter auf den Thron des Erdkreises. Wir haben seinerzeit die Liste dieser Prätendenten aufgestellt.« – »Ich erinnere mich«, nickte der Kaiser. »Nun berichtet mir Gouverneur Falco«, fuhr Norban fort, »daß in seiner Provinz Judäa noch zwei dieser Davidssprößlinge existieren. Es war in letzter Zeit Gerede und Gewese um diese beiden. Daraufhin hat sie Falco nach Rom geschickt, damit wir über sie befänden. Ich wollte nun den Herrn und Gott Domitian fragen, ob er sich nicht vielleicht den Spaß machen will, sich diese beiden Anwärter auf die Weltherrschaft zu beschauen. Es handelt sich um einen gewissen Jakob und um einen gewissen Michael.«
Genau wie es Norban beabsichtigt und vorausgesehen hatte, weckte dieser Vorschlag in der Seele des Domitian zahllose Gedanken, Schlüsse, Wünsche, Ängste, die darauf gewartet hatten, erweckt zu werden. Domitian hatte es wirklich vergessen, daß der gefürchtete und verachtete Jude Josephus und sein Sohn für eine Reihe von Leuten als Nachkommen eines Königs ihm selber gleichgestellt waren. Jetzt aber, da Norban die Erinnerung an jenes merkwürdige Gespräch mit den Doktoren und seine Folgen wieder aufgefrischt hatte, stand ihm diese Vorstellung, daß ja dieser Josephus und sein Sohn Prätendenten waren, Nebenbuhler, ungeheuer lebendig wieder auf. So lächerlich die Ansprüche dieser Leute waren, sie waren deshalb nicht weniger in der Welt und nicht weniger gefährlich. Und es war klar, daß diese Davidssprossen gerade jetzt die Zeit für gekommen hielten, ihre Ansprüche neu anzumelden. Durch diesen Anspruch auch, das ging ihm bei dem Bericht des Norban auf, durch diese seine vorgebliche Abstammung von den alten östlichen Königen, hatte er offenbar die Phantasie Lucias angezogen, durch diese Behauptung hatte er’s erwirkt, daß sie seinen jungen, lächerlichen Sohn in ihren Dienst nahm. Und so auch, pochend auf sein Recht als Königssproß, hatte er es gewagt, ihm seine Verse vom Mut ins Gesicht zu schleudern. Er, Domitian, hatte also recht gehabt, wenn er hinter dem allem seinen großen Feind vermutete, den Gott Jahve.
Keine fünf Sekunden indes dauerten diese Erwägungen. Des Kaisers Gesicht freilich hatte sich gerötet wie immer, wenn er in Erregung und Wirrnis war, aber seine Haltung zeigte nichts von dieser Erregung. »Das ist ein guter Vorschlag«, erklärte er munter, und: »Schön«, sagte er, »führ mir die Leute vor, mein Norban! Und recht bald!«
Schon in der nächsten Woche also wurden die Davidssprossen Jakob und Michael nach Alba gebracht.
Ein Feldwebel der Leibgarde führte sie in einen kleinen, prunkvollen Saal. Da standen sie, breit, derb und unbeholfen, inmitten des kostbaren
Weitere Kostenlose Bücher