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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Mast hinaufgeklettert, scheint es, und er ist gefallen. Sie haben ihn nicht retten können. Er hat sich den Hals gebrochen.«
      Josef stand da, seine Augen hingen mit immer dem gleichen gespannten Ausdruck am Munde des Kaisers. Der wartete auf einen Aufschrei, aber es kam keiner, vielmehr erschlaffte plötzlich das Gesicht des Josef, und er begann sonderbar zu malmen, den Mund zu öffnen und wieder zu schließen, als mühte er sich zu sprechen und könne die Worte nicht formen.
      Domitian aber kostete seinen Triumph ganz aus. Der ihm da gegenüberstand, das war ein Mann, den die Götter geschlagen hatten, alle Götter, auch sein eigener, auch sein Jahve. Er, Domitian, hatte also recht getan, er hatte eine große Schlacht gegen den Gott Jahve gewonnen, mit dessen eigenen Waffen, durch List, und dennoch auf faire, untadelige Art, so daß ihm der Gott nichts vorwerfen und anhaben konnte. Vertraulich und trotzdem sehr deutlich, jedes seiner Worte genießend, sprach er weiter: »Du magst es wissen, mein Josephus. Es war kein Zufall, daß dein Sohn Matthias verunglückt ist. Es war eine Strafe. Aber ich bin nicht rachsüchtig, ich bin milde, und nun er aus der Welt ist, trag ich ihm nichts mehr nach. Darum auch soll es niemand erfahren, daß es ein Verbrechen war, um dessentwillen er hat sterben müssen. Alle Welt soll glauben, er sei verunglückt, dein schöner, junger und liebenswerter Sohn Flavius Matthias. Und damit du siehst, daß ich dir wohlwill, höre weiter: er soll eine Bestattung haben, als wäre er wirklich der Auserwählte gewesen, eine prinzliche Bestattung, als wäre euer König David ein Römer gewesen.«
      Allein es war dem Kaiser nicht vergönnt, zu beobachten, welchen Eindruck sein Stolz und seine Großmut auf seinen Gegner machten. Denn offensichtlich nahm Josef seine milden und erhabenen Worte gar nicht mehr auf. Vielmehr starrte er den Kaiser mit leerem, blödem Blicke an, sein Mund malmte noch immer, und dann, jäh, sackte er zusammen.
      Domitian aber hatte noch mehr zu sagen, er konnte es nicht im Busen bewahren, und da er es dem hörenden Josef nicht mehr sagen konnte, sagte er es dem bewußtlosen. »Deine Doktoren«, sagte er ihm, »haben mir erklärt, der Tag werde kommen. Aber zu meinen und deinen Lebzeiten jedenfalls, mein Josephus, wird er nicht kommen, der Tag.«

    Eines Abends bald nach dieser Unterredung mit dem Kaiser traf im Hause des Josef ein kleiner, schwarzer, feierlicher Zug ein. Er überbrachte die Leiche des Flavius Matthias, verunglückt in Diensten der Kaiserin durch einen Sturz an Bord der Jacht »Blaue Möwe«. Die Kunst der Leichenbehandlung war hoch entwickelt in der Stadt Rom, und Domitian hatte die besten Künstler dieses Faches berufen. Mit Salben, Spezereien und wohl auch mit Schminke hatten es diese zuwege gebracht, daß der Körper, den man im Hause des Josef ablieferte, schön aussah und so gut wie unversehrt. Jünglingshaft, das glänzende, schwarze Haar sorglich frisiert, lag der knochige Kopf, gleich und dennoch verändert, denn er hatte alles Leben aus den Augen erhalten, und diese Augen waren geschlossen. Und wenn der schöne Kopf seines Jungen, als Josef ihn zum letztenmal lebendig gesehen, auf einem sehr kindlichen Hals gesessen war, so trat jetzt der Kehlkopf stärker und männlicher heraus.
      Josef stürzte mit eigener Hand die Möbel um im Zimmer seines Sohnes und bahrte den Heimgekehrten auf. Da saß er bei dem spärlichen Licht einer einsamen Öllampe, und auf dem umgestürzten Bett lag der Knabe.
      Josef war ein bequemer Mann geworden in seinem Glück, ein Mann, der Angst hatte vor seinen eigenen Tiefen und Scheu, sich mit sich selber auseinanderzusetzen. Jetzt waren alle seine Tiefen aufgerissen, sein Inneres schrie ihn an, es gab kein Ausweichen. Beim Tod seines Sohnes Simeon-Janiki hatte er hin und her geschwankt zwischen den verschiedensten Gefühlen, in ihm war Jammer gewesen, Reue, Selbstanklage, doch auch Selbstrechtfertigung und Empörung gegen Gott und die Welt. Jetzt, an der Leiche seines Sohnes Matthias, spürte er nur eines: Ekel, Haß gegen sich selber.
      Er haßte nicht den Kaiser. Der hatte einen Jüngling beseitigt, den er für einen Prätendenten gehalten, das war sein kaiserliches Recht. Er war sogar rücksichtsvoll vorgegangen. Er hätte die Leiche verschwinden lassen, er hätte sie der See und den Fischen überlassen können, und sein toter Sohn, treibend in den ruhelosen Gewässern, das war eine grauenvolle

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