Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
ihnen warteten unzählige, die Straße war verstopft mit Leuten, die den Toten noch sehen wollten. Aber die Zwillinge beeilten sich nicht, und selbst als Quintilian mit sehr höflichen Worten drängte, rührten sie sich nicht fort. Sie schauten auf das tote Antlitz ihres sehr geliebten Freundes. Sie waren an Tod gewöhnt, so jung sie waren, sie hatten viele sterben sehen, und nur wenige eines ruhigen Todes im Bett. Ihr Vater war auf blutige Art umgekommen, ebenso ihr Großvater und ihr Onkel, und so still und friedlich dieser ihr Freund Matthias dalag, sie ahnten, und in ihrem Innern wußten sie, auch ihn hatte eine Hand hinuntergestoßen, die sie gut kannten. Dies alles bedachten sie, wie sie so an dem umgestürzten Bett standen, sie jammerten nicht, sie sahen sehr reif und erwachsen aus, und abgesehen davon, daß sie nicht wegzubringen waren, hatte sich Quintilian über nichts in ihrer Haltung zu beklagen. Erst ganz zuletzt, bevor sie gingen, konnte sich der jüngere nicht enthalten, eine kindische und tadelnswerte Handlung zu begehen. Aus dem Ärmel seiner Toga zog er eine Pfauenfeder, und er gab sie dem Toten in die Hand, damit er, wenn er bei den Untern sein wird, etwas habe, sich daran zu erfreuen.
Die Juden der Stadt Rom erschreckte das Unglück, das Josef getroffen hatte; doch mischte sich ihrem Schreck eine kleine Genugtuung bei. Was jetzt den Josef niederwarf, das war eine verdiente Züchtigung Jahves. Sie hatten gewarnt; es war nicht gut, daß einer so frech hinauflangte und so hoch prahlte wie dieser Josef. Er hatte sich große Verdienste um sie erworben, aber er hatte ihnen auch großes Leid zugefügt, er war ein zweideutiger, gefährlicher Mann, er war ihnen fremd und unheimlich, und demütig priesen sie den gerechten Gott, der ihn auf solche Art warnte und in seine Grenzen zurückscheuchte.
Sie bezeigten Trauer und Teilnahme, wie es das Gesetz vorschrieb, sie schickten ihm in weidengeflochtenen Körben das Linsengericht der Trauer. Sie kamen, ihn zu trösten, aber es war ihnen recht, daß er sich nicht sehen ließ. Auch dies war eine Strafe Jahves, daß es ihm sein Hochmut verbot, Trost entgegenzunehmen.
Diesen ganzen Tag, da Rom vorbeizog an der Leiche seines Sohnes, blieb Josef eingeschlossen und sah niemand, weder Juden noch Römer. Es war ein sehr langer Tag, und er sehnte sich nach der Nacht, da er den Knaben wieder für sich allein haben wird. Doch gegen Abend stellte sich jemand ein, den er sehen mußte, des Kaisers Erster Kurier, ein Beamter der höchsten Rangklasse, und er begehrte den Josef zu sprechen, im Namen des Kaisers.
Der Herr und Gott Domitian wünschte, dem Flavius Matthias, der umgekommen war auf einer Reise in Diensten der Kaiserin, eine höchst ehrenvolle Bestattung zu bereiten. Er wollte ihm einen Scheiterhaufen errichten, als wäre er aus des Kaisers eigener Familie.
So geübt der Kurier war, Botschaften des Kaisers in geziemender Form zu bestellen, diesmal fiel es ihm nicht leicht, so verblüfft war er über den Anblick dieses Flavius Josephus. Er hatte ihn gesehen vor wenigen Tagen, damals, als ihn der Kaiser auf den Palatin beschieden hatte. Da war er ein Mann in guten Jahren gewesen, glänzend, einer, der in der Residenz gute Figur machte. Und jetzt stand vor ihm ein verdreckter, unrasierter, zerlumpter, alter Jude.
Ja, Josef stand da, verwahrlost und vergreist, und er fand auch keine Worte. Denn hin und her gerissen war er. Was ihm der Feind da antat, das war der frechste, greulichste Hohn, der sich denken ließ. Gleichzeitig aber auch stieg in Josef die Vorstellung hoch, eine solche großartige Bestattung sei Matthias, dem glanzliebenden, nur angemessen, und sein lieber Sohn würde es ihm nicht verzeihen, wenn er eine solche Ehrung ausschlüge. Er schwieg also lange, und als ihn schließlich der Beamte ehrerbietig fragte, was er nun dem Kaiser berichten solle, da antwortete er in vagen Sätzen, die kein Ja und kein Nein waren. Betreten stand der Kurier. Was war das für ein Mensch? Er erdreistete sich, sich zu bedenken, wenn ihm der Herr und Gott Domitian eine Ehre zudachte, wie er sie noch keinem erwiesen hatte. Allein gerade weil der Kaiser ihm diese ungeheure Ehre bereiten wollte, wagte der Höfling nicht, ihn zu bedrängen, und er zog sich unbehaglich zurück und voll von Zweifeln, ob nicht der Kaiser seinen Ärger über das sonderbare Verhalten des Mannes an ihm auslassen werde.
Josef, allein, fand nicht den rechten Weg. Die Stimmen
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