Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
sehen bekommt. Und die Geschäfte, die er dort für die Kaiserin zu erledigen hat, werden ihn ja nicht allzusehr drücken. Er soll ihr Parfüms besorgen und kosmetische Mittel, und er soll den Arzt Charmis mit auf seine Jacht locken. Wichtige Geschäfte.« Josef wunderte sich, daß der Herr der Welt so genau Bescheid wußte um die unbedeutenden Verrichtungen, die seinem Matthias in Massilia oblagen. »Es ist eine große Gnade und sehr verwunderlich«, scherzte er, »daß die Augen Eurer Majestät meinen Matthias mit solcher Aufmerksamkeit verfolgen.« – »Haben Sie ihn vor der Abreise noch gesehen?« fragte der Kaiser. »Nein«, antwortete Josef. »Er hätte eigentlich über Rom reisen und sich von Ostia aus einschiffen können«, meinte Domitian. »Aber die Kaiserin hat eben doch offenbar ihre Geschäfte für wichtig gehalten und Eile gehabt. Sie hängt übrigens sehr an Ihrem Matthias, das hab ich selber gesehen. Er ist auch ein netter Junge, von ange nehmen Sitten, er hat mir gut gefallen. Es muß in der Familie liegen, daß wir Flavier und ihr, daß wir uns immer wieder so eng miteinander verknüpfen.«
Es war in Wahrheit seltsam, wie eng die Flavier verknüpft waren mit Josef und seinem Geschlecht. Aber er wußte nicht, was er aus den Reden des Kaisers machen sollte, er fand nichts Rechtes zu erwidern, es war ihm unbehaglich zumute. »Du liebst ihn wohl sehr, deinen Sohn Matthias?« fuhr der Kaiser fort. Josef, einsilbig, erwiderte: »Ja, ich liebe ihn. Ich denke« fügte er hinzu, »er ist jetzt wohl schon wieder auf See, zurück auf dem Weg nach Italien. Ich freue mich darauf, ihn wiederzusehen.« – »Wie gut«, sagte langsam der Kaiser und schaute mit seinen vorgewölbten Augen dem Josef träumerisch ins Gesicht, »daß wir jetzt die Neptunalien gefeiert und daß ich selber daran teilgenommen habe. So haben wir das Unsere getan, auf daß ihm Neptun eine gute Rückfahrt beschere.« Josef glaubte, der Kaiser spaße, und er wollte schon lächeln; aber der Kaiser schaute so ernst darein, beinahe trüb, daß ihm das Lächeln verging.
Bei Tafel indes gab sich der Kaiser wieder besonders leutselig. Er sprach von Josefs Schrift gegen Apion. Dieses Buch beweise, daß Josef endlich losgekommen sei von der verlogenen, vornehm weltbürgerlichen Objektivität gegenüber seinem eigenen Volke. »Natürlich«, erklärte er, »ist alles, was Sie für Ihre Juden vorbringen, genauso unbewiesen und subjektiv wie das, was Ihre verhaßten Griechen und Ägypter gegen die gleichen Juden anführen. Trotzdem beglückwünsche ich Sie zu diesem Buch. Ihre früheren Ideen von Verschmelzung und Weltbürgertum, das ist lauter Nebel und Unsinn. Ich, der Kaiser Domitian, liebe mir einen gesunden Nationalismus.« Obwohl ihm die herablassenden Äußerungen des Kaisers eher Beschimpfung als Lob schienen, hörte sie Josef mit Freude. Es erleichterte ihn, daß ihm der Kaiser von seinen Büchern sprach und nicht mehr von seinem Sohn.
Auch nach Tische sprach Domitian von Literatur. Auf dem Sofa lag er, faul, und gab seine Ansichten zum besten. Josef wartete nervös, was wohl der Kaiser von ihm wolle; er sagte sich, jetzt habe er so lange gewartet, so werde er wohl noch eine Stunde länger warten können, doch er wurde immer flakkeriger. Dann, endlich, unvermittelt, verlangte Domitian, daß ihm Josef nochmals jene Ode an den Mut aufsage.
Josef erschrak tief. Nun also war es klar, daß ihn der Kaiser gerufen hatte, um sich an ihm zu rächen für jene Tollkühnheit. »Sie verstehen, mein Josephus«, erklärte der Kaiser, »ich war damals nicht darauf vorbereitet, daß Sie Verse lesen würden. Die Verse sind auch etwas fremdartig, und ich habe sie das erstemal nicht ganz aufnehmen können. Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn ich sie nochmals hören dürfte.« Aber alles in Josef sträubte sich gegen dieses Ansinnen. Was immer dieser Römer mit ihm vorhatte, ihm selber, Josef, war nicht danach zumute, jetzt jene Verse herzusagen. Heute spürte er sie nicht, heute schienen sie ihm fremd, und er fand es unwürdig, eine Rolle zu spielen in der Posse, die sich dieser böse Mann mit ihm machen wollte. »Eure Majestät«, erwiderte er also, »haben mir damals sichtbar gezeigt, daß Ihnen meine Ode vom Mut nicht gefiel. Warum also sollte ich das Ohr der Majestät nochmals belästigen?« Doch Domitian ließ nicht ab. Er hatte sich vorgenommen, die frechen Worte aus dem Munde dieses Jahveknechtes noch einmal zu hören; es war die
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