Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
eine Liburna, eines jener schmalen Kriegsschiffe, die mit ausgesuchten Ruderern bemannt waren. So wollte Josef seinen Sohn nach Judäa bringen, und dort wollte er ihn begraben.
Das sagte er den Freunden. Die schauten ihn an, und sie schauten einander an, und sie sagten nichts.
Da sagte Josef, und seine Stimme war voll von Grimm und Herausforderung: »Sie, mein Claudius Regin, wären der gegebene Mann, dem Kaiser meine Forderung zu überbringen. Wollen Sie es?« – »Ich will es nicht«, antwortete Claudius Regin, »es ist kein angenehmes Geschäft.« Doch da Josef auffahren und etwas entgegnen wollte, fügte er hinzu: »Aber ich werde es dennoch tun. Ich habe schon viele unangenehme Geschäfte in meinem Leben auf mich genommen, aus Freundschaft. Sie waren nie ein bequemer Freund, Doktor Josef«, grollte er.
Das Kriegsschiff »Der Rächer«, eine Liburna, gehörte zur ersten Klasse der Schnellsegler. »Der Rächer« hatte drei Reihen Ruderer, er war scharf und niedrig gebaut, leicht und schnell, und schoß mit einem einzigen Ruderschlag zwei seiner Längen vorwärts. Vierundneunzig solcher Schiffe besaß die kaiserliche Marine. »Der Rächer« war nicht das größte, seine Wasserverdrängung betrug nur hundertzehn Tonnen, seine Länge vierundvierzig Meter, sein Tiefgang 1,7 Meter. Hundertzweiundneunzig Rudersklaven bedienten ihn.
Man hatte in aller Eile und doch sorgfältig alles zurechtgerichtet, was die Überführung der Leiche erforderte, selbst einen Einbalsamierer hatte man mitgeschickt. Aber es bedurfte seiner Dienste nicht, das Wetter war günstig, das Schiff segelte mit gutem Wind, die Nächte waren kühl. Man konnte die Leiche auf dem obern Deck aufbewahren, bei Tag schützte sie ein Sonnendach.
Josef saß an der Seite der Leiche, allein. Am liebsten waren ihm die Nächte. Wind ging, und er fröstelte wohl bei der schnellen Fahrt. Der Himmel war tief, es war nur ein schmaler Mond, das Wasser war schwarz mit Streifen schwachen Glanzes. Und Josef saß bei der Leiche, und wie Wind und Wellen kamen und gingen ihm die Gedanken.
Es war eine Flucht, und sein Gegner, klug, wie er war, hatte ihm sein schnellstes Schiff gegeben, auf daß er um so schneller fliehe. Schmählich, dreimal schmählich flieht er aus der Stadt Rom, die er so frech und seines Sieges gewiß betreten hat vor nunmehr dreißig Jahren. Ein Menschenalter ist er in Rom gewesen, ein Menschenalter hat er gekämpft, und immer wieder hat er geglaubt, jetzt habe er den Sieg fest in der Hand. Und das also ist das Ende. Schimpflichste Niederlage und Flucht. Geflohen, entronnen, entwichen, davongelaufen, hastig, schmählich, auf dem Schiff, das ihm der Feind gestellt mit höhnischer, höflicher Bereitwilligkeit. Da, neben ihm, liegt, was er gerettet hat aus diesem Menschenalter voll von Kämpfen: ein toter Knabe. Einen toten Sohn hat er gerettet, das ist der Preis eines Menschenalters voll von Überhebungen, von Selbstüberwindung, von Pein, Demütigung und falschem Glanz.
Wie es fliegt, das Schiff, das Schiff mit dem spöttischen Namen »Der Rächer«, das gute Schiff, das schnelle: wie es übers Wasser tanzt! »Der Rächer«. Da hat also Matthias das schnelle Schiff, das er sich gewünscht hat für die Fahrt nach Judäa, ein schnelleres, großartigeres, als er sich’s je geträumt. Ehre hatte sein Junge, große Ehre, im Tode wie im Leben. Große Ehre tat ihm sein Freund an, der Kaiser. Für ihn, für seinen Matthias, rührten sich, an ihre Bänke geschmiedet, diese Ruderer, Tack, Schlag, Tack, Schlag, immerzu, für ihn hämmerte der Offizier seinen Takt, für ihn blähten sich die kunstvoll geordneten Segel, für ihn schoß das Schiff übers schwarze Wasser, des römischen Kaisers bestes Schiff, eine Glanzleistung der Schiffsbaukunst.
Warum das alles? Wer kann es deuten? Auch dieser Matthias hat immer gefragt: warum? Mit seiner tiefen, geliebten Stimme hat er es gefragt, kindlich, und unwillkürlich ahmt Josef die tiefe, geliebte Stimme nach, und in den Wind und in die Nacht hinein fragt er mit der Stimme des Matthias: »Warum?«
Gibt es eine Antwort? Nur eine, die Antwort der Doktoren, wenn man seinerzeit an ein wirklich schwieriges Problem geriet. Hin und her diskutierte man und schwatzte und prüfte und verwarf, und dann, wenn man in höchster Gier auf die Lösung wartete, erwiderten sie: das bleibt Problem, schwierig, nicht zu lösen, unentschieden, Kaschja.
Kaschja.
Und doch ist es nicht so. Und
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