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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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hatte ein paarmal freche, begehrliche Äußerungen über die Vestalin Cornelia getan, doch nur zu intimen Freunden, denn der Kaiser nahm es genau mit seinem Erzpriestertum und liebte keine unehrerbietigen Äußerungen über seine Vestalinnen. Crispin erinnerte sich jetzt genau, was er gesagt hatte. Und wäre diese Cornelia von oben bis unten in ihr weißes Kleid eingenäht, er werde mit ihr schlafen, hatte er sich vermessen. Auf welchem höllischen Weg aber war das schon wieder zu diesem verfluchten Norban gedrungen?
      Endlich wurden die Herren ins innere Arbeitskabinett gebeten.
      Der Kaiser saß auf seinem erhöhten Sitz, am Arbeitstisch, prunkvoll steif, angetan mit dem ihm vorbehaltenen Kleid der Majestät, und wiewohl der Tisch seine Füße deckte, trug er den unbequemen hochgesohlten Schuh. Es beliebte ihm, ganz der Gott zu sein; nur mit einem hieratisch stolzen Nicken erwiderte er die dem Gott zukommende demütig zeremoniöse Begrüßung seiner Räte.
      Um so mehr dann stach von dieser Haltung die Sachlichkeit ab, mit der er die Sitzung führte. Obwohl durchdrungen von dem Gefühl seiner Göttlichkeit, prüfte er mit gutem Menschenverstand die Gründe und Gegengründe, welche seine Herren vorbrachten.
      Man behandelte zunächst jene Gesetzesvorlage, welche die Oberaufsicht über Sitte und Senat für immer auf den Kaiser übertragen, die Rechte der mitregierenden Körperschaft aufs Formale einschränken, die absolute Monarchie zur Realität machen sollte. Bis in jede stilistische Kleinigkeit arbeitete man die Argumente aus, mit denen man diese Vorlage begründen wollte. Sodann überlegte man, wie man die Grundlinien des Kriegs- und des Friedensetats in Einklang bringen könnte. Da galt es einerseits dem Festungsbaumeister Frontin große Summen zur Verfügung zu stellen für die Fortführung des Walles gegen die germanischen Barbaren, andernteils den an die Front gehenden Truppenteilen hohe Prämien und Sonderlöhnungen zu konzedieren. Aber man konnte auch nicht ohne weiteres die großangelegten Bauunternehmungen in der Stadt und in den Provinzen stillegen, wenn man nicht das Prestige des Kaisers gefährden wollte. Wo also konnte man sparen? Und wo und auf welchem Gebiet konnte man noch Steuererhöhungen durchführen, ohne die Untertanen zu heftig zu bedrücken? Weiter setzte man fest, welche Maßnahmen man gegen die unsichern Provinzen ergreifen, welche Privilegien man ihnen geben oder nehmen sollte. Umständlich ferner beriet man, wieweit man die Vorschriften mildern könnte, die den Weinbau zugunsten des Getreidebaus einschränken sollten; man wollte diese notwendige Reform nicht allzu unpopulär werden lassen. Besonders lange schließlich verweilte man bei den geplanten Sittengesetzen: Verordnungen, die der zunehmenden Emanzipation der Frauen steuern, Bestimmungen, die den Kleiderluxus einschränken, Vorschriften, die eine schärfere Kontrolle der Schauspiele ermöglichen sollten. Wieder einmal mußten die Räte erkennen, daß es nicht etwa Heuchelei war, wenn Domitian von seiner erzpriesterlichen Sendung sprach, altrömische Zucht und Tradition mit den strengsten Mitteln wiederherzustellen. So unbedenklich er den eigenen maßlosen Begierden frönte, so tief war er durchdrungen von seiner Sendung, sein Volk zur Sitte und zum religiösen Herkommen der Altvordern zurückzuführen. Römische Zucht und römische Macht sind das gleiche, das eine kann ohne das andere nicht bestehen, die strenge Sitte ist die Basis des Imperiums. Steif und kaiserlich saß er da und führte das aus, eine redende Statue. Ausstrahlte von ihm die tiefe Überzeugtheit von seiner Mission, und den andern, obwohl sie das Schauspiel des sich offenbarenden Gottes Domitian nicht das erstemal erlebten, wurde es beinahe unheimlich vor seiner Besessenheit.
      Mit Ausnahme dieser einen aber erwog man alle Fragen sachverständig unter der sachverständigen Leitung des Kaisers und ohne Ressentiment des einen gegen den andern. Domitian hatte es verstanden, sich und seine Räte zu einem Organismus zu verschmelzen, der mit einem einzigen Gehirn dachte. Es wurde eine lange Sitzung, alle sehnten sich nach Entspannung, doch eine Unterbrechung gönnte der Kaiser weder sich noch seinen Räten.
      Und selbst als er die erschöpften Herren entließ, behielt er den Norban noch zurück. Er hätte freilich klug daran getan, sich ein wenig auszuruhen. Vor ihm lag zunächst eine anstrengende Familientafel – der Menschenkenner Aelius hatte recht

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