Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Reich. Auseinander knarrten die schweren Türflügel, und es erschien das Bild des zweigesichtigen Gottes, des Kriegsgottes, des Zweifelgottes, man kennt den Anfang, aber niemand kennt das Ende.
Die Römer übrigens nahmen vorläufig den dakischen Krieg nicht sehr ernst. Ehrlich begeistert säumten sie die Straße, auf welcher der Kaiser die Stadt verließ, um zu Felde zu ziehen. Er wußte, seine Römer wünschten, daß er repräsentiere, dunkel war in ihm das Bild der Reiterstatue, deren Modell ihm der Bildhauer Basil gezeigt hatte, und er hielt sich gut zu Pferde.
In seinem Innern freute er sich darauf, außer Sichtweite zu sein und die Sänfte zu besteigen.
Z WEITES K APITEL
W ährend des Krieges war es schwer, genaue Nachrichten vom dakischen Kriegsschauplatz zu erhalten.
Mit Beginn des Frühjahrs wurden die Meldungen häufiger, sie lauteten widerspruchsvoll. Zu Anfang April dann traf in Rom eine Depesche ein, in welcher der Kaiser seinem Senat über den bisherigen Verlauf des Feldzugs genauen Bericht erstattete. Er habe, war das Ergebnis dieses Berichtes, zusammen mit seinem Feldherrn Fuscus die dakischen Barbaren endgültig vom römischen Territorium verjagt. Ihr König Diurpan habe um Waffenstillstand gebeten. Bewilligt habe der Kaiser diesen Waffenstillstand nicht, er habe vielmehr, um den frechen Einbruch in römisches Gebiet zu rächen, den Fuscus beauftragt, ins Gebiet der Daker vorzustoßen. An der Spitze von vier Legionen habe demzufolge Fuscus die Donau überschritten und sei ins Land der Daker eingefallen. Der Kaiser selber befinde sich, nachdem der Feldzug so weit gefördert sei, auf dem Rückweg nach Rom.
Noch weniger klar waren während des Winters die Meldungen aus Judäa. Die Behörden erklärten, es habe dort »Wirren« gegeben, aber der Gouverneur Pompejus Longin habe dem Unfug mit seiner so oft erprobten starken Hand ein schnelles Ende bereitet. Die jüdischen Herren, auch Claudius Regin, hatten den Eindruck, man bemühe sich in Cäsarea, der Hauptstadt der Provinz Judäa, die Dinge zu bagatellisieren.
Um so gespannter waren die jüdischen Herren, als der Terrainhändler Johann von Gischala aus Judäa zurückkam. Da saßen sie zusammen wie damals an jenem sorgenvollen Abend im Hause des Josef, und Johann berichtete. Es war in Judäa so gegangen, wie sie befürchtet hatten. Keine Warnung hatte genützt, die »Eiferer des Tages« waren nicht zu halten gewesen. Sie hatten einen großen Teil der Bevölkerung mitgerissen, vor allem auch in Galiläa hatten zahllose die Armbinde angelegt mit dem Kampfruf »Der Tag wird kommen!«. Aber es hatte sich rasch gezeigt, daß der Tag noch keineswegs gekommen war, und nach ein paar Anfangssiegen war ein grauenvoller Rückschlag erfolgt, der Gouverneur hatte den längst gesuchten Vorwand gehabt durchzugreifen, und er hatte seine Legionäre auch auf die ruhig gebliebenen Teile der Bevölkerung losgelassen. »Ja, meine Herren, wir sind aufs Johannisbrot gekommen«, schloß er grimmig, die Worte gebrauchend, die man in Judäa für die Stufe äußersten Verfalls anzuwenden pflegte.
Dann erzählte er Einzelheiten. Erzählte von Metzelei und Plünderung, von niedergebrannten Synagogen, von Tausenden von Gekreuzigten, von Zehntausenden von Leibeigenen. »Die Aufgabe, meine Herren«, faßte er zusammen, »die wir uns gestellt hatten, war so bitter wie aussichtslos. Sie machen sich keine Vorstellung, wie es einen zerfrißt, wenn man dem andern immerzu Argumente des Verstands unter die Nase halten soll, während man doch diesem andern mit dem Herzen beipflichtet und ihn am liebsten umarmen möchte. Es sind großartige Burschen, die ›Eiferer des Tages‹, oder vielmehr, sie waren großartige Burschen.«
Die wohlhäbigen, wohlgenährten, sorgfältig angezogenen jüdischen Herren im Arbeitszimmer des Josef hörten den Bericht des erregten Mannes und seine bittere Klage. Sie schauten vor sich hin, ihre Augen schauten nach innen und sahen, daß sie das, was sie da hörten, alles schon einmal erlebt hatten. Das Grausigste an dem neuen Zusammenbruch war, daß man in Judäa aus der Zerstampfung des ersten Aufstandes so gar nichts gelernt hatte, daß sich die jüngere Generation mit der gleichen kühnen, liebenswerten, verbrecherischen Torheit in den Untergang gestürzt hatte wie die vor fünfzehn Jahren.
Schließlich gab in seiner behutsamen Art der Möbelhändler Cajus Barzaarone der Furcht Ausdruck, die in ihnen allen
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