Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
war. »In Judäa«, sagte er, »ist es zu Ende. Ich frage mich, was mit uns hier geschehen wird.« Johann zog mit der klobigen Bauernhand an seinem kurzen Knebelbart. »Ich habe mich während der ganzen Reise gewundert«, sagte er, »daß man mich hat heil nach Hause kehren lassen. Man hat mich übrigens«, erklärte er grimmig, »geradezu gezwungen, Geld zu verdienen. Wenn ich kein Aufsehen erregen wollte, mußte ich mich ab und zu mit meinen Geschäften befassen, und die Terrains wurden einem nachgeworfen. Sie hätten dabeisein müssen bei einer der Auktionen, auf denen das enteignete oder sonstwie herrenlos gewordene Land versteigert wurde. Es war grotesk und schauerlich. Wenn ich daran zurückdenke, wenn ich zurückdenke an das, was sich in Judäa ereignet hat, dann scheint es mir einfach unbegreiflich, daß ich unangefochten in meinem Büro sitze und Geschäfte mache.«
»Auch ich«, sagte Cajus Barzaarone, »erwache jeden Tag mit dem Gefühl: das geht so nicht weiter. Heute fallen sie über uns her. Aber es ist Tatsache: wir leben, wir wandeln und handeln wie früher.« – »Dabei weiß man auf dem Palatin«, brütete Josef, »daß ich der Verfasser jenes Manifestes bin, und der Kaiser hat mir auf dunkle und tückische Art gedroht. Warum verhört man mich nicht? Warum verhört man keinen von uns?«
Alle schauten auf Claudius Regin, als ob sie von ihm Auskunft erwarteten. Der Minister zuckte die Achseln. »Der Kaiser«, sagte er, »hat befohlen, seine Rückkehr abzuwarten. Ob das Gutes bedeutet oder Schlechtes, weiß niemand, wahrscheinlich nicht einmal DDD selber.«
Sie starrten vor sich hin. Es hieß warten, einen grauen Morgen und einen grauen Tag und eine graue Woche und einen grauen Monat.
Eine kleine Weile nach dieser Zusammenkunft suchte Johann den Josef auf. Josef wunderte sich über diesen Besuch. Es hatte eine Zeit gegeben, da die beiden Männer einander wüst bekämpft hatten; allmählich dann hatten sich ihre Beziehungen besänftigt, aber freundschaftlich waren sie nie geworden.
»Ich möchte Ihnen einen Rat geben, Doktor Josef«, sagte Johann. »Ich bin interessiert an Terraingeschäften, wie Sie wissen, und ich habe meinen Aufenthalt in Judäa dazu benutzt, die Nase auch ein wenig in Ihre dortige Wirtschaft zu stecken. Der Ertrag Ihrer Besitzungen bei Gazara bleibt weit hinter dem Durchschnitt ähnlicher Güter zurück. Das liegt daran, daß diese Güter in einem rein jüdischen Bezirk liegen und die Juden Ihre Produkte boykottieren, weil sie Ihnen Ihr Verhalten während des großen Krieges nicht verzeihen. Ich sage es, wie es ist, und spreche nur aus, was jeder Interessierte weiß. Ihr armer Verwalter, der übrigens ein fähiger Ökonom ist, findet kein Ende, wenn er einmal angefangen hat, über diese vertrackte Situation zu raunzen und zu lamentieren. Er hat mir vorgerechnet, was alles er aus Ihren Gütern herauswirtschaften könnte, wenn sie in einer vernünftigen Gegend lägen.« – »Das tun sie aber nun einmal nicht«, sagte ablehnend Josef.
»Könnte man dem nicht abhelfen?« erwiderte Johann, und auf seinem braunen, verwegenen Gesicht erschien ein breites, pfiffiges Lächeln, das dieses ganze Gesicht, selbst die gesattelte Nase, fältelte. »Es ist leider, wie ich Ihnen bereits sagte, in Judäa infolge des Aufstands viel Grund und Boden freigeworden. Da ist zum Beispiel das Gut Be’er Simlai. Es liegt in der Nähe von Cäsarea, nicht weit von der samaritanischen Grenze, also in einem Bezirk mit gemischter Bevölkerung. Der Viehbestand ist nicht ganz so gut wie auf Ihren Gütern bei Gazara, aber der Boden ist ausgezeichnet. Das Gut trägt Öl und Wein, Datteln, Weizen, Granaten, Nüsse, Mandeln und Feigen. Sie finden ein solches Objekt nicht leicht ein zweites Mal, selbst in diesen Zeiten nicht, und Ihr Verwalter würde das große Hallel singen, wenn er das Gut Be’er Simlai in die Hand bekäme. Ich habe mir Vorkaufsrecht darauf gesichert. Ich biete Ihnen das Gut Be’er Simlai an, mein Josef. Greifen Sie zu. Vor dem nächsten jüdischen Aufstand finden Sie eine solche Gelegenheit nicht wieder.«
Das war richtig. Josef hatte, als ihm Vespasian und Titus Grundbesitz in Judäa anwiesen, unglücklich gewählt. Er hatte sich wirklich in ein Wespennest gesetzt, und was ihm Johann riet, die Besitzungen bei Gazara abzustoßen und in eine Gegend mit gemischter Bevölkerung zu übersiedeln, war das Gegebene. Warum aber bot Johann dieses Gut Be’er Simlai gerade
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