Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
überlegte Messalin. »Es ist eine Geheimlehre, sie haben nichts davon aufgeschrieben. Es gibt keine Listen«, lächelte er. »Auch machen sie nicht viel her von diesen Nachkömmlingen Davids, und diese selber verbergen ihre Berufung nicht geradezu, doch sie stellen sie auch nicht ins Licht. Sie haben ja wohl auch etwas Lächerliches an sich, diese Leute. Denn sie sind zwar, heißt es, berufen, aber auserwählt ist schließlich nur einer, und auch der wohl nur als Vater oder Urahn eines vielleicht sehr späten Nachfahrs.«
      »Ich danke Ihnen, mein Messalin«, antwortete der Kaiser. »Ich werde dem Norban und dem Gouverneur Pompejus Longin Auftrag geben, zu recherchieren. Da aber, wie Sie sagen, die Aufgabe nicht leicht ist, wäre es gut, mein Messalin, wenn Sie selber sich ihrer annähmen und zu erforschen suchten, wer unter die Kategorie dieser Messiasse fällt.« – »Ich stehe zur Verfügung meines Kaisers«, sagte der Blinde.

    In zwei Wagen fuhren die Herren der jüdischen Deputation nach Alba; mit ihnen war Josef, den der Kaiser aufgefordert hatte, sich mit dem Großdoktor und seinem Gefolge in Alba einzufinden.
      Gamaliel und Josef saßen im ersten Wagen zusammen mit den Doktoren Ben Ismael und Chilkias, Vertretern der milden, gemäßigten Richtung von Jabne. Gamaliel trug römische Galatracht. Während er aber sonst trotz seines Bartes sehr römisch aussah, wirkte heute sein römisches Äußeres wie eine Verkleidung. Er war nicht der weltläufige Politiker, als den Rom und Judäa ihn kannten, eher einer jener fanatischen, in sich gekehrten Juden, die ohne Blick durch ihre Umwelt hindurchgehen, beschäftigt nur mit Jahve, dem Gott in ihrer Brust. Den Gott in sich suchte denn auch der Großdoktor während dieser Wagenfahrt; er beschwor ihn, in ihm war nichts als brünstiges Gebet: Herr, gib mir vor diesem Römer die rechten Worte! Herr, laß mich die Sache deines Volkes wirksam führen! Herr, nicht um meinetwillen, nicht um unsertwillen, sondern um der künftigen Geschlechter willen gib mir und meinen Worten Kraft!
      War man im ersten Wagen schweigsam, so war man um so beredter im zweiten. Hier führten das Wort die Vertreter der strengen Richtung von Jabne, die Doktoren Helbo und Simon, genannt der Weber. In grimmigen Worten gaben sie ihren Gewissensbissen Ausdruck, daß man gegen ihren Einspruch gerade heute, am Tag vor dem Sabbat, zum Kaiser fuhr. Sehr leicht konnte es geschehen, daß man auf der Rückfahrt in den Spätabend hineingeriet, in den Sabbatanfang also, und am Sabbat über Land zu fahren verbot das Ritualgesetz. Von vornherein also gefährdete man das ganze Unternehmen, da man sich der Gefahr aussetzte, das Gesetz Mosis übertreten zu müssen. Wäre es nach ihnen gegangen, dann hätte man dem Kaiser mitgeteilt, die Deputation könne ihn erst zwei Tage später aufsuchen. Doch Gamaliel hatte sie vergewaltigt, er hatte seine Autorität mißbraucht und sie gezwungen, den Wagen zu besteigen, ja, durch einen zweiten Machtspruch hatte er sie gezwungen, die gewohnte jüdische Tracht mit der vorgeschriebenen Galakleidung zu vertauschen. Sie führten einen eifrigen theologischen Disput, gegen wie viele von den dreihundertfünfundsechzig Verboten man durch diese Fahrt verstoße und wie viele von den zweihundertachtundvierzig Geboten dadurch zu vernachlässigen man gezwungen sei. Zudem habe der Großdoktor noch den Ketzer Josef Ben Matthias mit zum Kaiser genommen, jenen Mann, der Israel an Edom verraten habe. Doppelt notwendig sei es unter diesen Umständen, daß sie, die Doktoren der strengen Richtung, sich hart machten und nicht zuließen, daß Gamaliel in der Audienz seiner gefährlichen Neigung zu Kompromissen nachgebe und die Prinzipien Jabnes verwässere.
      Der Großdoktor, schon erstaunt darüber, daß man ihn nicht auf den Palatin beschieden hatte, sondern nach Alba, war doppelt verwundert über den Empfang, den er und seine Herren hier fanden. Man hatte ihm viel erzählt von dem umständlichen, prunkvollen Zeremoniell der kaiserlichen Audienzen. Hier in Alba aber wurden er und seine Herren nicht etwa in einen Vorsaal oder in einen Empfangsraum geleitet, sondern auf umständlichen Wegen führte man sie durch den ausgedehnten Park, durch Ziergärten, über geschwungene Brücken und Brückchen, an Teichen vorbei, an Gruppen zierlich verschnittener Bäume, an Blumenbeeten.
      Es war ein launischer Spätherbsttag, der Himmel zeigte ein starkes Blau, gefleckt von fetten, weißen Wolken.

Weitere Kostenlose Bücher