Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
pflegen.
Er stelzt herum in den Gärten von Alba. Lange Zeit steht er vor dem Käfig eines Panthers, aus gelben, schläfrigen, gefährlichen Augen blinzelt das schöne Tier ihn an. Aber des Kaisers Phantasie bleibt unfruchtbar. Seine Menschenverachtung, die ihm in ähnlichen Fällen manchmal treffliche Ideen eingegeben hat, läßt ihn im Stich. Er findet nichts, womit er die Juden verwunden könnte, ohne sich selber der berechtigten Rache ihres Gottes auszusetzen.
Er ließ den Messalin nach Alba kommen. Zusammen mit ihm spazierte er durch die weite, kunstvolle Vielfältigkeit seines Parks. Er tat, als sei er sehr besorgt, dem Blinden jedes Straucheln zu ersparen, aber er beobachtete nicht ohne Vergnügen, wie der Mann zuweilen stolperte und wie ängstlich er’s verbarg. Dahinter der Zwerg Silen machte die würdigen, auf Natürlichkeit bedachten Bewegungen des Messalin nach.
Domitian führte seinen Gast in einen unter der Erde gelegenen, kellerartigen Raum. Das weitläufige Palais, an dem man nun seit zehn Jahren arbeitete, war noch immer nicht fertig, und der Kaiser wußte nicht, wofür seine Architekten dieses nicht ausgebaute, verwahrloste Gelaß bestimmt haben mochten. Ein paar rohe Stufen führten hinunter, die rohe Erde des Bodens war uneben, in der Ecke war ein Haufen Sandes geschichtet, der Raum war voll von einer feuchten Dämmerung, die widrig abstach von der frischen spätherbstlichen Klarheit draußen.
Domitian scheuchte seinen Zwerg fort, leitete den Messalin zu einer Art Stufe und hieß ihn dort sich setzen. Er selber kauerte sich auf dem Boden. Da hockten die beiden in dem dunkeln, modrigen Loch, der Kaiser und sein blinder Rat, und der Kaiser bat ihn um Hilfe in seinem schwierigen Streit gegen Jahve. Ja, vor diesem Blinden, der noch finsterer ist und menschenfeindlicher als er selber, kann er reden. Und von der Brust redet er sich seinen fressenden Ärger. Er muß den Juden ihr Lehrhaus lassen, er muß den Großdoktor empfangen, davor kann er sich leider nicht drücken. Was aber kann er tun, dem Großdoktor die Lust an seinem Lehrhaus zu verderben, ohne doch die Rache seines Gottes auf sich herabzubeschwören?
Messalin sitzt auf den Stufen, das Ohr dem Redenden zugeneigt, wie das seine Art ist. In dem Dämmer ringsum, das nur die Umrisse erkennen läßt, wirkt seine stattliche Gestalt doppelt groß. Der Kaiser ist zu Ende, doch Messalin verharrt weiter unbeweglich und tut den Mund nicht auf. Domitian erhebt sich. Mit leisen Schritten, um das Nachdenken seines Rates durch kein Geräusch zu stören, geht er auf dem unebenen, erdigen Boden des Gelasses auf und ab. Allerlei Getier ist da, Asseln, ein Molch.
Messalin, nach einer Weile, beginnt, seine Gedanken Worte werden zu lassen. »Es ist für uns nicht ganz leicht«, erwägt er mit einer Stimme, die auffallend hell, freundlich und schmeichlerisch aus dem mächtigen, dunklen Manne herauskommt, »die abergläubischen Vorstellungen dieser Juden zu verstehen und ihre Zwistigkeiten. Soweit ich unterrichtet bin, finden sich die heftigsten Gegner dieses Lehrhauses in Jabne nicht unter uns Römern, sondern unter den Juden selber. Und zwar sind es die Angehörigen einer jüdischen Sekte, jene Leute, die in einem gekreuzigten Sklaven, einem gewissen Jesus, ihren Gott sehen und die Minäer genannt werden oder auch Christen, Leute, von denen Sie bestimmt gehört haben, mein Gott und Herr. Der Unterschied zwischen dem Aberglauben dieser Christen und dem Aberglauben der andern Juden besteht, soweit ich aus ihren verworrenen Reden klug geworden bin, in folgendem. Die einen, die Christen, nehmen an, ihr Erlöser, Messias heißt er in ihrer Sprache, sei bereits erschienen, und zwar in Gestalt eben jenes von ihnen göttlich verehrten gekreuzigten Leibeigenen. Die andern nehmen an, der von ihrem Gott versprochene Erlöser werde erst kommen. An sich können uns diese Zwistigkeiten gleichgültig lassen, aber fraglos sind sie der Grund, aus dem die Christen das Lehrhaus von Jabne anfein den. Daraus dürfen wir wohl schließen, daß die Hoffnung auf den Messias, der da kommen soll, die wichtigste Lehre dieser Universität Jabne ist. Es wird behauptet, daß dieses Jabne politischen Einfluß habe. Wenn das stimmt, dann wird wohl auch diese Politik in Verbindung stehen mit der Lehre von dem Erlöser, der da kommen soll.«
Domitian war stehengeblieben, bald nachdem der Blinde zu sprechen begonnen, er hatte gespannt zugehört, jetzt hockte auch
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