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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Helbo ihn und vor allem den Großdoktor. Mit seiner tiefen, brüchigen Stimme, unbeholfen, in schlechtem Griechisch, sagte er: »Es mag sein fern, es mag sein nah, es mag sein so, es mag sein anders: aber der Tag wird kommen. Der Tag wird kommen«, wiederholte er grob, bedrohlich und richtete die alten, zürnenden Augen auf den Großdoktor und zurück auf den Kaiser.
      Ein unbehagliches Schweigen war. »Interessant«, sagte Domitian, »das ist interessant.« Er setzte sich auf die Stufen des Pavillons, schlug salopp ein Bein über das andere und wippte mit dem Fuß; es war angenehm, nicht die feierlichen, hochgesohlten Schuhe zu tragen, sondern bequeme, sandalenartige. »Darüber möchte ich mehr hören«, fuhr er fort. Und, immer sehr sanft, wandte er sich an den Großdoktor, mit dem Finger drohend: »Und da sagen Sie, euer Messias sei eine utopische Vorstellung, eine platonische Idee!« Und, wieder zu dem alten, groben Helbo: »Der Tag wird kommen. Welcher Tag, bitte? ›Kommen wird er, der Tag, da die heilige Ilion hinsinkt‹«, zitierte er den Homer. »An welche Ilion denken Sie, mein Doktor und Herr? An Rom?« fragte er geradezu.
      Die Doktoren standen jetzt ein wenig gesondert. Die Römer schauten auf sie, warteten auf die Antwort. Der Kaiser indes, ihre Verlegenheit nicht ausnützend, unterbrach das peinliche Schweigen und fuhr fort, ungewohnt jovial: »Es müssen manche unter euch sich diesen Messias nicht als etwas rein Geistiges, sondern als ein Wesen aus Fleisch und Blut vorgestellt haben. Dieser mein Flavius Josephus zum Beispiel hat seinerzeit meinen Vater, den Gott Vespasian, als den Messias bezeichnet. Und Sie, mein Flavius Josephus«, er schaute ihm voll, sanft, mokant und gefährlich ins Gesicht, »haben doch sicher nicht meinem Vater die Absicht zugetraut, Wölfe oder Löwen so zu zähmen, daß sie neben Lämmern weiden. Aber schön«, wandte er sich wieder an die Doktoren, »dieser Ritter Flavius Josephus ist im Hauptamt Soldat, Schriftsteller, Staatsmann und nur im Nebenamt Theolog und Prophet; lassen wir also seine Deutung auf sich beruhen. Sie indes, meine Herren Doktoren, Sie sind die berufenen Ausleger der jüdischen Lehre, die Sachwalter Jahves. Ich bitte Sie um eine klare, unmißverständliche Auskunft: wer oder was ist Ihr Messias? Ich bitte Sie um eine Erklärung, so eindeutig, wie ich sie in Rapporten meiner Beamten zu finden erwarte.«
      »Es steht geschrieben«, begann Doktor Helbo, »bei unserm Propheten Jesajas: ›Von Zion wird das Gesetz ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Heiden und strafen viele Völker.‹« Zornig und gefährlich kam das aus seinem großen Mund. Aber: »Nicht doch, nicht doch, mein Bruder und Herr«, fiel ihm eifrig Doktor Chilkias ins Wort, »dies ist eine halbe Wahrheit, die ihren rechten Sinn erst aus späteren Sätzen gewinnt. Denn es ist gesagt bei dem gleichen Propheten Jesajas: ›Es ist ein Geringes, daß du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten. Sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, auf daß du mein Heil seist bis zum Ende der Welt.‹« Allein: »Entstellen Sie nicht, mein Bruder und Herr«, ereiferte sich hartnäckig Doktor Helbo, »legen Sie nicht den Ton auf Nebensachen. Steht nicht etwa auch geschrieben bei dem Propheten Micha: ›Er wird richten unter großen Völkern und viele Heiden strafen in fernen Landen‹?« Doch auch Doktor Chilkias beharrte: »Sie sind es, der entstellt, und schon ein zweites Mal. Denn Sie lassen fort, wie es weitergeht bei dem Propheten Micha: ›Und ein jeglicher wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen ohne Furcht.‹« Nun aber sprang dem Doktor Helbo sein Gesinnungsgenosse bei, der Doktor Simon, genannt der Weber. »Und was ist es«, fragte er streitbar, »mit Gog und Magog, die der Messias vorher hinstrecken wird?« Alle begannen sie jetzt zu debattieren. Sie waren nicht mehr in den Gärten von Alba und in Gegenwart des Kaisers, sie waren in Jabne, in ihrem Lehrsaal, sie gerieten aus dem Griechi schen ins Aramäische, ihre Stimmen gingen ineinander, erhitzt, zornig. Der Kaiser und seine Herren hörten still zu und zeigten kaum, wie belustigt sie waren.
      »Ich muß gestehen, viel klüger bin ich nicht geworden«, sagte schließlich der Kaiser. Messalin, mit seiner sanften Stimme, griff ein. »Darf ich mir den Versuch erlauben«, fragte er, »den Herren klarzumachen, was eigentlich unser Herr und Gott von Ihnen will? Es geht der

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