Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
er wieder nieder. »Wenn ich dich recht verstehe, mein Messalin«, sagte er nachdenklich, »dann wäre also dieser Erlöser, der Messias, ein Mensch, der mir meine Provinz Judäa streitig machen will?«
»Genau das meine ich, mein Herr und Gott Domitian«, kam die höfliche, helle Stimme des Blinden. »Und kein Gott könnte es dir verargen, wenn du dich wehrtest und deine Provinz gegen diesen Messias verteidigtest.«
»Interessant, das ist interessant«, anerkannte der Kaiser. »Wenn man diesen Messias treffen könnte«, überlegte er, »dann träfe man also auch den Großdoktor, und zwar ungestraft. Mir scheint, du bist da auf einer guten Fährte, mein findiger Messalin.« Und da Messalin nichts weiter zu sagen hatte, fuhr Domitian fort: »Der Erlöser, der Messias. Vielleicht könnte einem da der Jude Josephus Auskunft geben, der seinerzeit meinen Vater als den Messias begrüßt hat, obgleich ich nicht weiß, wieweit das abgekartet war. Leicht wird es auf keinen Fall sein, aus diesem Juden etwas über ihre Geheimlehren herauszubekommen, sie sind störrisch. Trotzdem wittert mir, als sei dein Rat sehr wertvoll, mein Messalin. Willst du mir weiterhelfen auf diesem Wege?«
»Wenn dieser Messias etwas Unsichtbares an sich haben sollte«, erwiderte Messalin, »wie der Gott Jahve selber, dann, fürchte ich, werde ich dir nicht helfen können, Kaiser Domitian. Es wäre dann der ganze Weg falsch; denn es wäre dann kein irdischer Prätendent, und Jahve hätte das Recht, ihn zu schützen und dich zu bekämpfen. Wenn aber der Messias aus Fleisch und Blut sein sollte, greifbar, dann haben wir Rechte gegen ihn, dann werden wir ihn auffinden, dann werden wir dieses Lehrhaus in Jabne unschädlich machen und den, der dahintersteht.« »Still, still«, antwortete mit unterdrückter Stimme Domitian, »sag das nicht so laut, mein Messalin! Denk es, aber sag es nicht laut, gerade weil du recht haben könntest! Jedenfalls danke ich dir«, fuhr er fort, aufgehellt. »Und wolle, bitte, darüber nachdenken, ob und wie wir diesen Messias aufspüren können. Laß dir rasch etwas einfallen, mein Messalin! Vergiß nicht, daß diese Angelegenheit mich wurmt und daß ich schlecht schlafe, solange sie nicht erledigt ist!«
Messalin kehrte nach Rom zurück, doch schon am dritten Tag stellte er sich wieder ein. »Hast du etwas herausbekommen?« fragte Domitian. »Ich würde es nicht wagen«, antwortete Messalin, »vor dem Angesicht des Herrn und Gottes Domitian zu erscheinen, leeren Hirnes und leerer Zunge. Ich habe dieses ermittelt. Der Messias, der den Juden ihren Tempel und ihren Staat wieder errichten und dem römischen Kaiser die Provinz Judäa entreißen soll, ist nichts Geisterhaftes. Er ist vielmehr von Fleisch und Blut und der Polizei greifbar. Zudem ist er versehen mit einem deutlichen Merkmal. Es muß nämlich nach Ansicht der Juden der Messias, der Anspruch erheben darf auf ihren Thron, dem Geschlecht eines alten Judenkönigs entstammen, eines gewissen David. Nur ein solcher kann, nach Meinung des Lehrhauses von Jabne und aller Juden, ihr König und Messias werden. Auch der gekreuzigte jüdische Leibeigene, den die Minäer als ihren Gott anbeten, soll ein Stämmling dieses alten Judenkönigs gewesen sein. Abkömmlinge dieses Geschlechts, hab ich mir sagen lassen, gibt es nach wie vor. Genaue Ziffern hat man mir nicht nennen können. Es sollen ihrer mehrere sein, doch sehr wenige, Leute verschiedenen Standes indes, ein Fischer soll darunter sein, ein Zimmermann, doch auch ein Priester und ein großer Herr. Auf alle Fälle sind sie aufzuspüren, sind sie zu fassen, und mit ihnen die treibende politische Kraft des Lehrhauses von Jabne.«
»Das ist wertvoll, mein Messalin«, anerkannte Domitian, »das ist ein wichtiger Fingerzeig. Du meinst also, man brauchte nur die Abkömmlinge jenes Judenkönigs in die Hand zu bekommen, zuzudrücken, und die Universität Jabne wäre erledigt, und vielleicht auch«, setzte er scheu und begierig hinzu, »der Unsichtbare hinter ihr?« – »Ich hielte es für angebracht«, erwiderte die geschmeidige, helle Stimme des Blinden, »jene Leute unschädlich zu machen. Sicher dann würde die politische Spannung in der Provinz Judäa nachlassen.
»Und Sie glauben, mein Messalin«, forschte Domitian weiter, »es sei nicht schwer, die Leute aufzuspüren, die nach dem erwähnten ungeschriebenen Gesetz Anspruch auf den Thron der Juden haben?« – »Ganz leicht wird es nicht sein«,
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