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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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recht daran tun; denn es ist das einzige, was uns in dieser Zeit übrigbleibt.«
      Aber: »Ich will nicht schweigen, und man soll nicht schweigen«, sagte Fannia. Uralten, erdbraunen, kühnen und finsteren Gesichtes saß sie da und richtete erzürnte Blicke auf Publius Cornel. Der war ein naher Verwandter der bedrohten Vestalin, ihn ging ihr Schicksal mehr an als die andern, und er bereute auch schon beinahe, was er gesprochen hatte. Vor Gleichgesinnten hätte er so reden dürfen, nicht aber in Gegenwart dieser alten Fannia. Sie war die Tochter des Paetus, dem, unter Nero, sein republikanischer Bekennermut den Tod gebracht hatte, sie war die Witwe des Caepio, den, nach der Niederschlagung des Saturnin, Domitian hatte hinrichten lassen. Immer wenn Fannia sprach, überkamen den Cornel Zweifel, ob er nicht doch vielleicht jenes Schweigen, das er mit soviel Gründen der Vernunft empfahl, zu Unrecht als heldenhaft hinstellte und ob nicht doch am Ende das demonstrative Märtyrertum einer Fannia die bessere Tugend sei.
      Langsam wandte er das trotz seiner Jugend stark zerkerbte, düstere Gesicht von einem zum andern. Nur der maßvolle Decian sandte ihm einen halben Blick des Einverständnisses. Ohne viel Hoffnung also suchte Cornel darzulegen, warum er jede Art Demonstration gerade in Sachen der Vestalin Cornelia für schädlich halte. Das Volk liebe und verehre Cornelia. Ein Prozeß gegen sie oder gar ihre Exekution werde dem Volk nicht, wie es Domitian wahrscheinlich wünsche, als strenger Dienst an den Göttern erscheinen, sondern einfach als etwas Unmenschliches, als Frevel. Wenn aber wir von der Senatspartei demonstrieren, dann drücken wir dadurch nur die Angelegenheit aus der Sphäre des allgemein Menschlichen ins Politische hinunter.
      Decian pflichtete bei. »Ich fürchte«, sagte er, »unser Cornel hat recht. Wir sind machtlos, wir können nichts als schweigen.« Aber er brachte diese Worte nicht sachlich und gehalten vor, wie es sonst seine Art war, sondern so gequält und bar aller Hoffnung, daß die andern betroffen aufschauten.
      Es war dies, daß dem Decian eine Botschaft von Cornelia zugekommen war. Eine Freigelassene der Cornelia hatte sie überbracht, eine gewisse Melitta. In verstörten Worten hatte ihm dieses Mädchen berichtet, es habe sich beim Fest der Guten Göttin im Hause der Volusia, der Frau des Konsuls, etwas höchst Peinliches ereignet. Worin dieses Peinliche bestanden hatte, hatte Decian den wirren Worten der Melitta nicht entnehmen können; gewiß war, daß Melitta hineinverwickelt war und Cornelia ernstlich bedroht. Nun liebte der ruhige, nicht mehr junge Senator Decian die Vestalin Cornelia, und er glaubte wahrgenommen zu haben, daß auch ihr Lächeln sich vertiefte und freundschaftlicher wurde, wenn sie ihn sah. Es war eine stille, nicht zudringliche, so gut wie aussichtslose Liebe. Der Cornelia sich zu nähern war schwer, beinahe unmöglich, und wenn sie das Haus der Vesta wird verlassen dürfen, wird er ein alter Mann sein. Daß sie seine Hilfe anrief, hatte ihn tief aufgerührt. Melitta, im Namen ihrer Herrin und Freundin, hatte ihn beschworen, sie aus Rom fortzubringen, sie unauffindbar zu machen. Er hatte alles getan, Melitta zu helfen, er hatte sie durch Vertrauensleute in großer Heimlichkeit auf seine Besitzung in Sizilien schaffen lassen, dort lebte sie jetzt, verborgen, und wahrscheinlich war mit ihr die Hauptzeugin verschwunden, auf welche die Feinde der Cornelia sich hätten berufen können. Allein wenn Domitian ernstlich gewillt war, Cornelia zu vernichten, dann kam es wohl auf einen Zeugen mehr oder weniger nicht an, dann entschied wohl kaum die Gerechtigkeit, sondern lediglich Haß und Willkür. Dieses Gefühl der Fesselung und Machtlosigkeit hatte jetzt, während Cornel sprach, den Decian zwiefach angefallen, und sein Kummer war durch seine Worte durchgeklungen.
      Fannia indes achtete weder auf den Kummer des Decian noch auf die Vernunft des Publius Cornel. Das erdbraune Gesicht verhärtet in Leid und Strenge, saß sie da. »Wir dürfen nicht schweigen«, beharrte sie, und ihre Stimme klang voll aus dem uralten Gesicht, »es wäre ein Verbrechen und eine Schande.« Das lebt immer nur fürs Lesebuch, dachte unzufrieden Publius Cornel, und will durchaus die Heldentradition der Familie fortsetzen. Dabei wird sie in meinem Geschichtswerk höchstens eine gute Episodenfigur abgeben, Geschichte wird sie nicht machen. Doch konnte er trotz dieser sachlichen Kritik

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