Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Göttin ereignet und die ihr ganzes Leben umgestülpt hatten.
Melitta, die Freigelassene, hatte ihr gemeldet, eine Frau erwarte sie im Toilettezimmer der Gastgeberin, der Volusia. Was für eine Frau? hatte sie, Cornelia, gefragt. Eine besondere Frau, hatte Melitta erwidert, die Besonderes mit ihr zu besprechen habe und besondere Hilfe von ihr begehre, und Melitta hatte bei diesen Worten auf eine seltsam auffordernde Art gelächelt. Eigentlich war es dieses Lächeln gewesen, das dazu geführt hatte, daß sie jetzt allein, geächtet und vom Dienst ihrer Göttin ausgeschlossen, in ihrer Zelle saß. Sie war also in das Toilettezimmer der Volusia gegangen, nicht mit der ganzen Schwerelosigkeit wie sonst und dennoch leichter, da sie von der Milch der Göttin genossen hatte. Ihr weißes Kleid war ihr beim Tanz zerrissen worden, der Schlitz gab den Blick auf ihre Beine frei, und sie erinnerte sich, daß sie, während sie ging, bemüht gewesen war, den widerspenstigen Schlitz zuzuhalten.
Merkwürdigerweise hatte sie, während sie ins Toilettezimmer der Volusia ging, an den Senator Decian gedacht, jenen ruhigen, freundlichen Herrn, der sie immer mit so besonderem Respekt und mit mehr als Respekt begrüßte. Dabei war es sinnlos, gerade diesen mit dem Fest und den Mysterien der Guten Göttin in Zusammenhang zu bringen.
Die Frau, die sie im Toilettezimmer der Volusia erwartete, hatte ihr gut gefallen. Sie war groß, schlank, das Gesicht bräunlich, mit einem Stich ins Olivfarbene, mit wissenden Augen und wissenden Lippen; das hatte sie erkannt, als die Frau sie mit dem Kuß der Guten Göttin begrüßte, und sogleich war die »Trübung« stärker geworden, jenes besondere und ängstigende Gefühl, das für sie dem Feste der Guten Göttin anhaftete. »Ich bin sehr kühn«, hatte die Frau zu ihr gesagt, »aber ich kann nicht anders, ich muß Sie, gerade Sie, meine Herrin und Geliebte Cornelia, bitten, mich tiefer in die Mysterien der Guten Göttin einzuweihen; denn ich kann nicht mehr schlafen, wenn ich nicht mehr erfahre von diesen Mysterien.« – »Kenne ich Sie, meine Herrin?« hatte sie, Cornelia, zurückgefragt. Und: »Ja und nein«, hatte die Unbekannte erwidert, hatte ihre Hand gefaßt und sie umarmt und gestreichelt, wie das üblich war beim Fest der Guten Göttin. Während dieser Umarmung aber war ihr plötzlich aufgegangen, daß die Unbekannte keine Brust hatte.
Naiv, wie sie war, und erfüllt von Vorstellungen aus der Urzeit, da Götter und sagenhafte Wesen den Erdkreis bevölkerten, hatte sie zuerst geglaubt, die andere sei eine verspätete Amazone. Spät, zu spät war ihr die Vorstellung der ganzen, grauenhaften Wirklichkeit aufgegangen. Gehört hatten sie natürlich alle von jenem Clodius, der sich damals, zur Zeit des großen Julius Cäsar, als Harfenistin verkleidet zum Fest der Guten Göttin eingeschlichen hatte. Doch dies war geschehen in abgelebten Zeiten, die so unwirklich waren wie die Zeiten der Götter und Halbgötter. Daß sich dergleichen noch heute sollte ereignen können, in der greifbaren Wirklichkeit des heutigen Rom, das war einfach unvorstellbar.
Daß es sich nun doch ereignete, hatte sie gelähmt. Es lähmte sie noch weiter. Noch jetzt nicht wußte sie genau, was eigentlich geschehen war, es war wirklich und gleichwohl unwirklich, sie wußte es nicht, aber sie spürte es weiter, immer noch, täglich, stündlich. Es waren keine Vorgänge und Bilder, die sich infolge jenes Ereignisses in ihr aufgestaut hatten, es waren eher Gefühle, Erregungen, ein undeutliches, schmerzhaftes, schauerliches Durcheinander, Abwehr und Abscheu, und eine winzige Neugier, wüst gemischt.
Es war eine Vergewaltigung, das war gewiß. Vielleicht hätte sie schreien sollen. Aber wenn sie geschrien hätte, dann hätten alle gewußt, daß das Fest der Guten Göttin geschändet war, und aus einem solchen bösen Vorzeichen wäre größtes Übel gewachsen für den Feldzug und für das Reich. Es war besser, daß sie sich stumm gewehrt hat, verbissen, keuchend. Sie hat sich gewehrt, sie hat sich nach Kräften gesträubt, und sie war kräftig. Aber sie war wie betäubt gewesen von dem ungeheuern und unausdenkbaren Frevel. Auch war sie behindert gewesen durch das schwere, altertümliche Gewand. Was sie unmittelbar hernach am meisten erschreckt hatte, das war gewesen, daß dieses heilige Gewand durch die Spuren des Verbrechens besudelt war, im Wortsinn besudelt, wie auch ihre Haut.
Das Ganze hatte eine
Weitere Kostenlose Bücher