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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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einfache Gravität und keusche Würde des alten römischen Hauses, sie waren die Wahrerinnen des Herdfeuers, ihrem Schutze anvertraut waren das Palladium und die wichtigsten Akten des Reichs. Keuschheit und Wachsamkeit waren Cornelia selbstverständlich geworden.
      Viele ehrenvolle Titel führten die Vestalinnen. Ihr, Cornelia, war der Titel »Amata«, »Liebling«, der teuerste, und sie war sich bewußt, daß sie diesen Titel zu Recht trug. Sie fühlte sich geliebt, nicht von einem einzelnen, sondern von den Göttern und vom Senat und Volk von Rom. Natürlich gab es Eifersüchteleien unter den sechs Jungfrauen, die ständig zusammen lebten; doch selbst im Kreise der Schwestern war sie die am meisten geliebte.
      Höchstens Tertullia wird eine ganz kleine Befriedigung spüren über ihr, der Cornelia, Unglück. Tertullia hat sie nie leiden mögen. Was für böse Augen zum Beispiel hat sie gemacht, als bei den Capitolinischen Spielen sie, Cornelia, ausgelost worden war, an der Hand des Kaisers zum Jupiter hinaufzusteigen. Dabei hat sie gerade an dieser Zeremonie nicht viel Freude gehabt. Gewiß, Domitian war sehr großartig anzuschauen, und sie hat gespürt, daß ihre ernst und heitere Anmut neben dem Kaiser doppelt zur Geltung kam. Trotzdem war sie nicht froh, und jener Tag war einer der nicht vielen, da sie geradezu Unbehagen gespürt hat; Wirrnis, »Trübung«, so hat sie es in ihrem Innern genannt. Die Hand des Mannes, mit dem gemeinsam sie die Stufen erschritten hat, diese Hand des Kaisers, des Erzpriesters, ihres »Vaters«, ist eine kalte, feuchte Hand gewesen, und sie hat, als sie die ihre hineinlegte, Angst und Widerwillen gespürt, ähnlich wie beim Feste der Guten Göttin.
      Ja, eine Vorahnung war es, eine Warnung, und kein Zufall war es, daß sie die gleiche »Trübung« verspürt hat und von jeher und bei allem, was mit dem Feste der Guten Göttin zusammenhing. Für die andern Vestalinnen war dieses Fest der Guten Göttin der Höhepunkt des Jahres, sie aber hat sich, immer wenn dieses Fest näherrückte, mehr davor geängstigt als darauf gefreut.
      Das Fest fand alljährlich statt, im Winter. Gastgeberin war die Gattin des höchsten Reichsbeamten, des Konsuls; der mußte zu diesem Zweck sein Haus für zwei Tage seiner Frau überlassen, er selber durfte es nicht betreten, denn ihm, wie jedem Manne, war der Zutritt zu diesem Fest bei Todesstrafe verboten. Es wurden bei diesem Fest altertümliche Sprüche gesprochen, seltsame Opfer vollzogen, dunkle, aufregende Bräuche geübt, alles unter ihrer, der Vestalinnen, Anleitung.
      Gegen Ende ihrer Lehrzeit, kurz bevor sie achtzehn wurde, war Cornelia von ihrer Lehrerin Junia über Sinn und Meinung dieser Sitten und Bräuche aufgeklärt worden. Es war aber die Gute Göttin eine nahe Anverwandte des Bacchus, sie war die Göttin der häuslichen Fruchtbarkeit, und wie Bacchus den Wein, so hatte sie die Weinranke zum Attribut; doch wurde ihr Trank, wiewohl er Wein war, nicht so genannt, sondern er hieß »Milch der Guten Göttin«. Diese Milch der Guten Göttin war das Symbol häuslicher Fruchtbarkeit, keuschen, doch dadurch nicht minder lustvollen Liebesgenusses. Dies alles wurde der Novizin erklärt, und so erklärten sich ihr auch die dunklen, erregenden Bräuche, welche bei den Mysterien der Guten Göttin geübt wurden. Festlich geschmückt mit Weinranken war das Haus der Ersten Dame des Reichs, welche die Gäste der Göttin empfing; Weintrauben in Fülle waren da, jetzt, mitten im Winter, in den Treibhäusern gezüchtet; mit ihren spitzen, altertümlichen Krügen schöpften die Vestalinnen Milch der Guten Göttin, Wein also, und geschmückt mit Weinlaub waren die Frauen alle. Sie umfaßten und küßten sich, in strenger, steifer Zeremonie zuerst, sie führten sakrale Tänze auf, jede Geste war vorgeschrieben. Allmählich dann, in der zweiten Stunde, wurden die Tänze heftiger, die Verschlingungen der Frauen wilder, erregter ihre Küsse und Umarmungen, in größerer Fülle floß die Milch der Göttin. Wüster wurde mit dem Fortschreiten der Nacht das Fest. Es war aber eine lange Winternacht, und wenn endlich, kurz vor Tage, die Vestalinnen das Haus verließen, dann war es voll von Frauen, die in den Winkeln herumlagen, zu zweien oder zu dreien, und nicht mehr erkannten, wer zu ihnen sprach.
      Oft jetzt in der Verlassenheit ihrer Zelle mühte sich Cornelia, sich in genauer Reihenfolge die Vorgänge zurückzurufen, die sich beim letzten Fest der

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