Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
und dem Urteilsspruch nicht mehr die Möglichkeit gegeben sei, Anklage zu erheben gegen dieses Majestätsverbrechen, so fordere er die Berufenen Väter, annoch seine Kollegen, auf, die Schamlosigkeit des Helvid nicht auf sich beruhen zu lassen, sondern die Würde des Senats und das Ansehen des Reichs zu verteidigen und gegen Helvid Anklage zu erheben wegen Majestätsverletzung.
Es war klar, daß Ligarius eine solche Sprache nicht gewagt hätte, wenn er nicht sicher gewesen wäre, er werde von den Räten des Kaisers gedeckt werden. Es war klar, daß Domitian ein Mittel gefunden haben mußte, sich gegen den Senat mit neuer Kraft zu wehren. Auf alle Fälle war der Kaiser entschlossen, keine weitere Herausforderung von seiten des Senats zu dulden; wahrscheinlich auch hatte er ein Mittel gefunden, die Volksstimmung zu wenden. Wie immer, es war nicht geraten, sich noch weiter vorzuwagen, man tat besser, sich vorzusehen, der Antrag des Helvid wurde so gut wie einstimmig abgelehnt. Nicht einmal die Anträge auf Vermögenskonfiskation und auf Verbannung wurden angenommen. Ligarius, der Freund und Günstling des Kaisers, wurde lediglich dazu verurteilt, die Beträge zu ersetzen, die er der Provinz Spanien widerrechtlich entzogen hatte.
Bald denn auch zeigte sich, daß die Senatoren die Rede des Ligarius richtig gedeutet hatten und daß der Kaiser im Besitz von Zeugnissen war, geeignet, seine Beliebtheit bei den Massen wiederherzustellen und den Senat in seine alte Machtlosigkeit zurückzuverweisen.
Schon wenige Tage nach der Urteilssprechung über den Ligarius wurde der Senat befaßt mit einer Anklage gegen den Decian. Decian wurde bezichtigt, versucht zu haben, das Verbrechen der abgeurteilten Vestalin Cornelia zu verschleiern.
Der Kaiser selber wohnte der Verhandlung des Senats bei.
Decian war nicht erschienen. An seiner Stelle erklärte nach der Anklageerhebung sein Verteidiger: »Der Senator Decian verzichtet auf Verteidigung. Ich bin hier eher Postbote als Anwalt. Der Senator Decian teilt durch mich den Berufenen Vätern mit, daß er sich des Verbrechens schuldig bekennt, dessen man ihn verklagt.«
Ein einziger Antrag wurde gestellt: Tod für den Schuldigen und Ächtung seines Andenkens. Keine Gegenstimme wurde laut. Da griff Domitian selber ein. Er bat die Berufenen Väter, Milde gegen den Reuigen und Geständigen walten zu lassen. Es wurde denn auch nur auf Verbannung erkannt und auf Konfiskation der in Italien befindlichen Güter des Decian.
Während er sich entfernte, drohte der Kaiser einer Gruppe von Senatoren, die sich um Helvid und Priscus versammelt hatten, lächelnd und leutselig mit dem Finger: »Sehen Sie, meine Herren, jetzt hat mich gar Ihr Freund Decian von gewissen Beschuldigungen freigesprochen.«
Die Massen waren betroffen, als bekannt wurde, daß ein um seiner Rechtlichkeit willen so angesehener Mann wie Decian Zeugnis abgelegt hatte für den Kaiser und gegen die Vestalin. Auch Melitta, die Freundin und Freigelassene der Cornelia, hatte also gegen sie gezeugt. Folglich hatte man wohl dem Domitian Unrecht getan. Schnell schlug die Empörung gegen ihn in den alten Enthusiasmus um. Man bezichtigte sich selber der Leichtgläubigkeit, und Verwünschungen wurden laut gegen die Vestalin Cornelia, die das Reich und den guten, großen Kaiser durch ihre Geilheit beinahe um die Hilfe der Götter gebracht hatte. Gepriesen wurde Domitian, weil er mit so starker Hand durchgegriffen, ohne Ansehen der Person, um die Göttin zu rächen. Welche Überwindung mußte es den guten Kaiser gekostet haben, selbst eine Cornelia vor Gericht zu stellen und das Odium einer solchen Verurteilung auf sich zu nehmen! Was für einen großen Kaiser hatte man! Schließlich war es an dem, daß die Verurteilung der Cornelia dem Domitian eine Geschenkverteilung ersparte.
Nachdem Domitian so lange an sich gehalten, genoß er jetzt in vollen Zügen seine Rache. In rascher Folge fanden eine Reihe von Prozessen statt, die endlich jene Häupter der alten Adelspartei wegrafften, an die sein Vater und Bruder und an die er selber sich bisher noch nicht herangewagt hatten.
Die ersten, gegen die er Anklage erheben ließ, waren die Senatoren Helvid und Priscus und die Damen Fannia und Gratilla. Die Anklage lautete auf Majestätsverletzung. Sie war schamlos zusammengeklittert. Man hatte das ganze Leben der Angeklagten durchsucht, und alles, was sie getan, und alles, was sie gelassen hatten, wurde ausgelegt als
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