Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
seinem Schreibtisch.
Er hatte sich ein kleines Zimmer als Arbeitskabinett gewählt, er mußte, um sich zu sammeln, enge, geschlossene Wände um sich haben. In der Einsamkeit dieses versperrten Raumes gelang es ihm, ganz in sein Inneres hineinzutauchen. Manchmal, in Augenblicken solcher Sammlung, vermochte er es geradezu körperlich zu spüren, daß er das Herz und das Hirn dieses gewaltigen und höchst lebendigen Organismus war, den man vag und abstrakt als Römisches Reich bezeichnete. Ihm allein, in ihm, war dieses Römische Reich ganz lebendig. Die Flüsse dieses Reichs, Ebro, Po, Rhein, Donau, Nil, Euphrat, Tigris, waren seine, des Kaisers, Adern, die Gebirge, die Alpen, Pyrenäen, Atlas, Haemus, seine Knochen, es war sein Blut, das diese Ungeheuern Gebiete wärmte und belebte, die Millionen Einzelmenschen waren die Poren, durch die sein eigenes Leben atmete. Dieses millionenmal vervielfältigte Leben machte ihn in Wahrheit zum Gott, hob ihn über alles menschliche Maß hinweg.
Damit aber dieses gewaltige Lebensgefühl nicht verfließe, mußte er den Rahmen noch strenger und pedantischer spannen. Starr verfolgte er sein Programm. Daß er seinen widerspenstigen Senat besiegt hatte, war die erste Strecke eines Weges gewesen, den er sich genau vorgezeichnet. Jetzt, da er sich der Hilfe seiner Götter vergewissert hatte, durfte er den schwierigeren Teil dieses Weges beginnen. Jetzt durfte er sich an die Aufgabe machen, den unterirdischen Wühlereien ein Ende zu setzen, mit denen dieser fremde, bösartige und unheimliche Gott Jahve ihn bedrohte.
Es war nicht etwa so, daß er von sich aus Jahve hätte angreifen wollen. Ganz und gar nicht, das stünde ihm, dem Verteidiger der Religion, nicht an. Jahves Doktrinen sollten weiter Geltung haben: doch nur in Jahves Volk. Wenn diese Doktrinen aber ihre Grenzen überschritten, wenn sie begannen, seine, des Domitian, Römer zu vergiften, dann hatte er die Pflicht, sich dagegen zu verteidigen, diese Doktrinen aus den Herzen seiner Römer auszubrennen.
Er beriet mit seinen Ministern. Mit Regin, Marull, Annius Bassus und Norban arbeitete er an dem Plan, den Osten aus Rom zu verdrängen, ihn in seine Grenzen zurückzuweisen.
Zunächst ging es um die Beseitigung Jakobs von Sekanja, des Wundertäters. Jakob galt als das Haupt der Christen in Rom. Die ganze Stadt nahm Anteil an ihm. Er ging ein und aus im Hause des Prinzen Clemens. Viele unter den Senatoren bezeigten ihm und seinen Ideen Interesse, um auf diese vorläufig noch ungefährliche Art gegen den Kaiser zu manifestieren. Das Volk blickte in scheuer Ehrfurcht zu dem Wundertäter auf. Siebzehn Leute hatten mit ihren eigenen Augen gesehen, wie die lahme Paulina, eine Freigelassene, aufgestanden und gewandelt war, nachdem er ihr die Hand aufs Haupt gelegt und dazu einige aramäische Sprüche gemurmelt hatte. Allerdings war diese Paulina am gleichen Tage gestorben; doch der Vorgang blieb deshalb nicht weniger ein Wunder, und der Mann, der das Wunder vollbracht hatte, nicht minder ehrfürchtiger Beachtung wert. Jedenfalls waren der Kaiser und sein Polizeiminister der Meinung, es wäre besser, wenn Jakob von Sekanja in dieser ihrer Stadt Rom keine weiteren Wunder vollbrächte.
Wie aber verhinderte man einen Mann, Wunder zu vollbringen? Es gebe da, meinte Norban eindeutig, ein sehr gründliches Mittel.
Schweigend überdachten alle dieses gründliche Mittel. Dann erklärte Regin, es sei im Falle des Wundertäters doch vielleicht nicht angebracht, das gründliche Mittel anzuwenden. Wendete man es an, so sähe es aus, als hätten die Anhänger der Staatsreligion Furcht vor dem Gotte des Wundertäters. Was seine Anhänger vermutlich nicht ernüchtern, sondern nur in ihrem
Aberglauben bestärken werde.
Man könnte vielleicht, schlug Marull vor, den Wundertäter auffordern, am Hofe des Kaisers Wunder zu tun. Dann könnte man ihn kontrollieren und entlarven. »Wer sagt Ihnen«, wandte Bassus ein, »daß ihm dann das Wunder nicht gelingt?« Der Kaiser aber erklärte bündig: »Ich möchte nicht die Fähigkeiten des Gottes Jahve in Zweifel ziehen. Ich möchte nur verhüten, daß der Wundertäter Proselyten macht.«
Marull, durch diese Zurechtweisung keineswegs gekränkt, meinte, man solle sich zunächst klar darüber werden, wieweit die Verkündigung der jüdischen Lehre erlaubt sei und wo sie anfange, Proselytenmacherei und somit Verbrechen zu werden. »Wenn der Herr und Gott uns seine Meinung
Weitere Kostenlose Bücher