Josepsson, Aevar Örn
dreht sich eher darum, dass es mit deiner Genesung zu rasch vorangeht. Oder zumindest, dass du dieser Ansicht bist.«
Guðni versuchte, den Kopf zu schütteln. »Versteh ich nicht, amigo.«
»Soweit ich weiß, hast du dir einen Stumpen …«
»Und, was soll’s? Diese verdammten faschistischen Tussis können mir nicht einfach meine London Docks wegnehmen. Ich habe sie ja auch gar nicht geraucht, verdammt nochmal.«
Er rang nach Luft, und Stefán beeilte sich, ihn zu beruhigen.
»Natürlich nicht«, sagte er, »und reg dich bloß nicht auf. Es reicht schon, wenn du dich mit den Dingern halb umbringst, du solltest dich nicht endgültig ins Jenseits befördern, indem du dich ihretwegen aufregst.«
Er grinste, und Guðni zog eine Grimasse.
»Ich sollte die anzeigen«, röchelte er. »Ich sollte diese Weiber wegen Diebstahls verklagen, Stefán, hörst du? Da waren noch sechs Stück in der Packung.«
»Und die sind auch noch drin, es wurde nichts gestohlen«, versicherte ihm Stefán. »Sie haben mir die Schachtel gezeigt.«
»Dann wegen Nötigung oder illegaler Beschlagnahmung. Ich will meine London Docks wiederhaben.« Er schloss die Augen. »Hat sie noch mehr gesagt?«, fragte er dann etwas ruhiger. »Die Tussi da vorne? Wie geht es mir?«
»Du bist am Leben«, antwortete Stefán freundlich. »Und morgen oder übermorgen kommst du hier raus und wirst auf die normale Station verlegt, wenn alles nach Plan läuft. Was vielleicht ganz gut ist«, sagte er und zwinkerte Guðni zu.
»Ja«, flüsterte Guðni, »das ist gut so. Ich krepiere hier ohne meinen Tabak. Aber das hast du wohl nicht gemeint«, grinste er Stefán an und kniff vielsagend ein Auge zu. »Weshalb ist es gut, wenn ich von hier verlegt werde? Come on , raus mit der Sprache.« Stefán atmete auf. Bei dem Kerl waren offensichtlich sowohl die grauen Zellen als auch die große Klappe intakt. Also ging es nur darum, den Körper wieder auf Vordermann zu bringen. Das konnte seine Zeit dauern, war aber ein nicht ganz hoffnungsloses Unterfangen. Er beugte sich zu Guðni hinunter.
»Wahrscheinlich sollte ich dir das gar nicht sagen«, erklärte er leise, »aber der Mann da in dem Bett gegenüber, der mit dem Gips – das ist Úlfur.«
»Jetzt reicht’s aber!«, schnaubte Guðni.
»Selbstredend«, sagte Stefán lächelnd und stand auf. »Du musst viel ruhen, wir sehen uns morgen.«
Er verließ das Krankenhaus aber nicht gleich, sondern begab sich in das Zimmer für die nächsten Angehörigen. Da drinnen hatte er Tinna gesehen, als er kam, und sie saß immer noch da, geknickt, bleich und stumm, und schlürfte ihren Kaffee.
»Wir müssen miteinander reden«, sagte Stefán so rücksichtsvoll, wie er konnte.
»Jetzt?«, fragte Tinna leise.
Stefán zögerte. »Nein«, sagte er dann. »Das hat Zeit bis morgen. Hier.« Er reichte ihr seine Karte. »Ruf mich an, möglichst am Vormittag.«
Tinna nahm die Karte entgegen und steckte sie ein, ohne einen Blick darauf zu werfen. »Nach was wolltest du mich fragen?«, erkundigte sie sich, ohne von ihrer Kaffeetasse hochzublicken. »Was wollt ihr ihm jetzt schon wieder anhängen?«
»Tinna, wir versuchen nicht, ihm etwas …«
Sie stellte die Kaffeetasse ab und ging zu Stefán hinüber. Sie reichte ihm noch nicht einmal bis zur Brust, aber trotzdem wich Stefán zurück.
»Ich werde vielleicht morgen bei euch vorbeikommen«, sagte sie, »aber es ist keineswegs sicher, ob ich mit dir sprechen will. Gibt es da jemand anderen als dich, an den ich mich wegen eines Mordversuchs wenden kann?«
»Tinna, da war wirklich gar nichts zu machen – er ist urplötzlich aus dem Graben aufgetaucht und auf den Weg gesprungen, glaub mir. Wenn Katrín nicht …«
»Aus dem Weg«, sagte Tinna und drängte sich an ihm vorbei, drehte sich aber noch einmal um. »Úlfur ist kein Engel«, sagte sie zitternd. »Ich schwöre bei Gott, als ich ihn da in der Scheune liegen und schnarchen sah, ist mir sogar einen Augenblick lang selber der Gedanke gekommen, die verdammte Scheune anzuzünden. Aber ich habe es nicht getan, und weißt du, weshalb? Weil man so etwas einfach nicht macht. Weil niemand das Recht hat, einen anderen umzubringen, so ist es nun einmal. Nicht mal die Polizei. Und jetzt mach dich vom Acker und lass mich in Ruhe, ich muss nach Úlfur sehen.«
Stefán rührte sich eine ganze Weile nicht vom Fleck und starrte hinter ihr her. Als er endlich wieder draußen unter freiem Himmel war, zog er sein Handy aus der Tasche und wählte
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