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Josepsson, Aevar Örn

Josepsson, Aevar Örn

Titel: Josepsson, Aevar Örn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer ohne Sünde ist
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halb geraucht. Sein eigenes Herzversagen vor acht Jahren war bei weitem nicht so ernst gewesen wie Guðnis, aber es war eine eindringliche Mahnung gewesen, dass er etwas für seine Gesundheit tun musste, und er hatte sich diese Mahnung zu Herzen genommen. Er erlaubte sich immer noch jeden Tag sein Blätterteiggebäck, er trank seinen Kaffee mit reichlich Zucker, und selbst wenn er sich ab und zu klammheimlich einen Hamburger und ähnlich ungesundes Junkfood genehmigte, hatte er doch seine Ernährungsweise von Grund auf umgestellt. Er bewegte sich jetzt auch regelmäßig, und in den ersten beiden Jahren danach hatte er überhaupt nicht mehr geraucht. Inzwischen gestattete er sich wieder eine Zigarre am Tag. Die würde ihn wohl kaum umbringen, war seine Standardreaktion, wenn Ragnhildur ihn dafür kritisierte, was sie aber immer seltener tat. Und Rotwein war nur ein natürliches, herzstärkendes Heilmittel wie viele andere, darin waren sie sich einig. Solange man nicht zu viel davon trank …
    Er nippte am Wein. Das wichtigste Argument für die Zigarre des Tages war die schlichte Wahrheit, dass sie ihm beim Nachdenken half. Eine Zigarre auf dem Balkon tat wahre Wunder, wenn es darum ging, den Tag Revue passieren zu lassen und zu irgendwelchen Schlüssen zu kommen, und sie verschaffte ihm den notwendigen Seelenfrieden für einen gemütlichen Abend auf dem Sofa. An diesem Abend gab es genug, worüber er während der Zigarre nachdenken musste. Über Guðni, über Katrín, über Svavar. Und diesen merkwürdigen Fall, den sie bearbeiteten. Er entschloss sich für die einfachere Variante und konzentrierte sich auf den Letztgenannten.
    Obwohl ihn diese Vorstellung keineswegs befriedigte, ließ ihn der Gedanke nicht los, dass Úlfur eine Schlüsselrolle in dem Ganzen hatte. Man wusste zwar von keiner direkten Verbindung zwischen ihm und dem Meister, aber er hatte anscheinend mehr und engeren Kontakt zu Ólafur gehabt als die meisten, wenn nicht alle anderen. Und über Ási bestand auch eine Verbindung zu Lalli, der wiederum Verbindung zum Meister hatte, und der hatte Ólafur gekannt … Stefán machte die Zigarre aus, als sich in seinem Kopf alles zu drehen begann.
    Úlfur, dachte er, Úlfur ist der Mann mit den Antworten.
    »Hoffentlich überlebt er es bloß«, murmelte er in sein Rotweinglas und trank einen Schluck. Und sei es auch nur wegen Katrín, fügte er im Geiste hinzu.
    »Bist du nicht bald mit deinem Sargnagel fertig?«, rief Ragnhildur aus dem Wohnzimmer. »Ist dir nicht klar, dass hier zehn eiskalte Zehlein dringendst gewärmt werden müssen?«
    Ein albernes Lächeln breitete sich in Stefáns Gesicht aus, und das Blut strömte ihm aus dem Hirn. Er ging schnurstracks zum Sofa, wo Ragnhildur lag und ihm ihre Zehen entgegenstreckte. Pawlow wäre stolz auf ihn gewesen.

15
Mittwoch
    »Ich bin weg«, flüsterte Katrín und verpasste Sveinn noch einen Kuss. Er lag im Ehebett zwischen ihren beiden Kindern Eiður und Íris. Die rührten sich nicht, aber Sveinn richtete sich schläfrig auf. »Nein, nein, schlaf du nur ruhig weiter«, sagte Katrín, »wir sehen uns heute Abend.«
    Er konnte manchmal unmöglich sein, kindisch und nervend, aber manchmal war er auch richtig prima, dachte sie, während sie ihre Wimpern tuschte und sich vor dem Spiegel im Bad frisierte. Ein Mann, der ohne ein Widerwort alles zusammenpackte und drei Stunden Fahrt im Dunkeln und mit quengelnden Kindern auf der Rückbank auf sich nahm, wenn seine Frau ihn darum bat, das musste doch etwas wert sein, verflixt nochmal. Das war genau das, was Sveinn getan hatte. »Ich komme«, hatte er gesagt, mehr nicht. Keine Einwände, keine Fragen. Und er war gekommen, hatte sie in die Arme genommen und ihr bis in die frühen Morgenstunden zugehört. Hatte ihr den Rücken gestärkt und ihr dabei geholfen, sich endgültig darüber klar zu werden, was sie im Grunde genommen bereits wusste, nämlich dass Úlfur sich selbst die Schuld geben konnte und nicht ihr.
    Auf jeden Fall ist er gut dressiert, dachte Katrín und lächelte sich selber zu, und wesentlich besser als gar keiner – das fand sie zumindest im Augenblick.
    In der Diele warf sie unwillkürlich einen Blick auf eine von zwei Zeitungen, die auf dem Fußboden lagen. Tatverdächtiger von Polizei niedergefahren , stand mit Riesenlettern quer über dem Foto von Úlfur, als er aus dem Rettungshubschrauber herausgetragen wurde. Schwebe zwischen Leben und Tod , stand in etwas kleinerer Schrift

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