Josepsson, Aevar Örn
zwei grün gekleidete Wesen einen total zugegipsten Mann in das Bett auf der anderen Seite des Zimmers hoben, und da erinnerte er sich, wo er war. Und weshalb er hier war.
» Fuck «, murmelte er und schlief wieder ein.
14
Mittwoch
Der Meister erhob seine Stimme: »Das sagt uns nur das, was wir im tiefsten Inneren schon immer gewusst haben, tief drinnen in unserem Herzen. Das sagt uns, dass man nicht klug zu sein braucht, sondern bloß das tun soll, was einem gesagt wurde: Folge deinem Herrn – und der Sieg ist errungen.«
Rhetorische Pause, dachte Árni. Gut gemacht.
»Wenn wir klug sein wollen«, fuhr der Meister fort, »wenn wir armseligen Menschen klüger sein wollen als der Herr, wenn wir uns entschließen, nur das zu tun, was uns selber am besten gefällt, wo enden wir dann, Brüder und Schwestern? Ich sage euch, wir enden auf Abwegen ! Und-nun-alle-miteinander: Ameen!« Die Versammlung entsprach dem Wunsch des Meisters.
»Bereits bei unserer letzten Versammlung bin ich darauf eingegangen«, fuhr er fort. »Ich habe am vergangenen Sonntag über sogenannte Ansichten gesprochen. Darüber, wie sehr wir Menschen darauf bedacht sind, uns zu allem unsere Meinung zu bilden. Und darüber, wie gefährlich das sein kann, denn Ansichten und Meinungen haben im Reiche Gottes nichts verloren, halleluja! Es darf nie geschehen, dass wir in unserem Tun und Treiben nicht vom Geist Gottes gelenkt werden, dass wir uns dazu versteigen, uns eigene Meinungen zu bilden – alle-miteinander: Ameen!«
Allmählich wurde es langweilig, fand Árni. Trotzdem irgendwie interessant, fügte er im Geiste hinzu, denn bislang war ihm nicht klar gewesen, wie sündig es war, Ansichten zu haben.
»Ich weiß mir nichts Schlimmeres als Menschen mit Ansichten«, fuhr der Meister fort. »Halleluja. Menschen, die ihre eigene Meinung über das Wort Gottes stellen! Und dann wundert man sich, dass Satan gierig geifernd den Erdball auf der Suche nach Seelen durchstreift, die er sich auf seine teuflische Weise untertan machen kann! Es braucht einen aber gar nicht zu verwundern, denn beim gegenwärtigen Zustand der Welt wird Satan reiche Beute zuteil, der Antichrist erntet, was er gesät hat! Allenthalben diese Menschen, die alles besser wissen, die sich dem Worte Gottes verweigern, weil sie Ansichten haben! Menschen, die mit ihren Ansichten zu mir kommen – wollt ihr wissen, was ich zu solchen Menschen sage? Ich sage: Weichet von mir, sage ich ihnen, schert euch fort mit euren Ansichten! Ich sage ihnen, dass ich keine Ansichten brauche, denn mit mir ist das Wort des Herrn. Halleluja! Ehrrre sei Gott!«
Der Meister trocknete sich mit einem weißen Tuch den Schweiß von der Stirn, nahm das Mikrofon vom Stativ und trat dicht an die Rampe. Das ist eine Bühne, dachte Árni, eine Wahnsinnsbühne. Der Saal war größer, als er sich vorgestellt hatte, die gläubigen Seelen zwar nicht so zahlreich, wie er gedacht hatte, aber die Show erfüllte sämtliche Erwartungen.
»Nein«, erklärte der Meister, »wir haben nichts mit Menschen zu schaffen, die Ansichten vertreten, denn Ansichten sind vergänglich, heute so und morgen anders. Aber an Gottes Wort lässt sich nicht deuteln. Mit Leuten, die Ansichten haben, wollen wir nichts zu schaffen haben! Wir wollen Menschen sehen, die auf die Knie fallen und sich vom Geist Gottes erfüllen lassen. HALLELUJA! HAHAHAHA …«
Árni schrak zusammen. Er konnte nicht genau sagen, ob dieses Gelächter des Meisters theatralisch und wahnsinnig war. Oder nur wahnsinnig. Letzten Endes war es auch egal, die Wirkung war dieselbe: eine Gänsehaut am ganzen Körper, weil der Schauder ihm vom Scheitel bis zur Sohle ging. Bescheuert, dachte er, was für ein unglaublicher Scheiß. Er blickte sich um und beobachtete die Leute um sich herum. Einige waren ihren Mienen und ihrem Gebaren nach ganz bestimmt auf Entzug, entweder Drogen oder Alkohol, da konnte es keinen Zweifel geben, so viel hatten ihn seine bisherigen Erfahrungen bei der Polizei gelehrt. Die Mehrzahl der Versammelten bestand aber aus völlig normal wirkenden Leuten sämtlicher Altersstufen und Gesellschaftsschichten, soweit er sehen konnte.
Eines jedoch war ihnen allen gemeinsam: Uneingeschränkte und bedingungslose Bewunderung strahlte aus all diesen Augen, die auf Magnús gerichtet waren. Alle sahen mit gespannter Erwartung dem Weltende und der Wiederkehr des Messias entgegen. Und Plätzen in der ersten Klasse auf dem Weg ins viel gepredigte tausendjährige
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