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Josepsson, Aevar Örn

Josepsson, Aevar Örn

Titel: Josepsson, Aevar Örn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer ohne Sünde ist
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ordentlicher Guss aus der Blase ab. Der Rücken reagierte mit heftigen Schmerzen, und nur unter Aufbietung aller Kräfte schaffte er es im letzten Augenblick noch ins Badezimmer, bevor es zur Katastrophe kam.
    Ganz entgegen der Gewohnheit schlummerte er nach dem Wasserlassen noch einmal ein, aber nicht lange. Noch vor zehn war er wieder auf den Beinen, und eine Stunde später, nach der zweiten Kaffeetasse, erinnerte er sich an den Sturz. Er machte sich auf die Suche nach einem Lappen, um die Bescherung aufzuwischen, und den warf er anschließend zurück in den übervollen Wäschekorb.
    Den Ärzten zufolge war so etwas kein Anlass zur Besorgnis, sie behaupteten sogar, es handele sich um einen ganz normalen Zustand bei einem Menschen seines Alters. Dagegen könne man nichts anderes tun, als abends weniger Flüssigkeit zu sich zu nehmen.
    Diese Argumente fand Ólafur keineswegs überzeugend. Die verdammte Blase war ja wohl kaum mit dem Alter zusammengeschrumpft? Musste sie sich nicht ebenso ausdehnen wie andere Organe, beispielsweise der Magen? Er beförderte die beste Hose ebenso wie die Unterhose in den Wäschekorb und zog seine zweitbeste Hose an. Sie war ebenso grau wie die anderen.
    Der Gedanke, sich einen kleinen Drink zu genehmigen, bevor Bárður kam, war verlockend, das würde gegen das Zittern und die Rückenschmerzen helfen. Heute gab es keine Versammlung, und da alles, was er brauchte, im Haus war, würde er tagsüber auch nicht mehr Auto fahren müssen. Ólafur warf einen Blick auf die Uhr, Viertel nach zwölf. Er schaltete das Radio ein und holte die Ginflasche. Nie vor zwölf, war sein Motto, und Gott hatte ihm geholfen, sich daran zu halten. Alles unter Kontrolle, dachte Ólafur, dank Gottes Gnadenkraft und Segen war alles in Ordnung.
    Den ersten Schluck genehmigte er sich zu den Mittagsnachrichten um zwanzig nach zwölf. Das Wohlgefühl, das ihn durchrieselte, war ähnlich wie bei einer Dusche nach einem kalten und anstrengenden Arbeitstag.
    »Also denn, mein lieber Bárður«, murmelte er in das halb leere Glas, »jetzt könntest du dich so langsam blicken lassen.«
    *
    Meister Magnús betrat entschlossenen Schritts das Büro seines Bruders und machte die Tür unnötig fest hinter sich zu.
    »Da bin ich«, sagte er. »Was willst du? Was ist so dringend?«
    Ari wandte sich vom Monitor ab und faltete die Hände im Schoß.
    »Setz dich, Bruder«, sagte er gelassen. »Möchtest du einen Kaffee?«
    Magnús schüttelte den Kopf. »Du weißt, dass ich keinen Kaffee trinke. Was willst du?« Er setzte sich.
    »Ja, richtig. Kaffee ist vom Bösen«, entgegnete Ari lächelnd. »Es waren ja auch katholische Mönche, die ihn zuerst aufgebrüht haben, um sich für ihre papistischen Morgengebete wachzuhalten, nicht wahr? Ich vergesse das manchmal.«
    »Haha«, sagte Magnús kurz angebunden. »Was willst du?«
    Er wirkte nervös und gereizt, und Ari war überzeugter denn je, dass ihn etwas belastete, und zwar etwas ungewöhnlich Schweres.
    »Ich wollte einfach mit dir reden«, sagte er schließlich. »Dich mal wieder sehen. Du hast in letzter Zeit ein etwas merkwürdiges Verhalten an den Tag gelegt, und ich mache mir schlicht und ergreifend Sorgen um dich.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Was ist los?«
    Magnús schüttelte den Kopf und stand auf. »Nichts ist los. Sonst noch etwas?«
    Ari überlegte eine halbe Sekunde, ob es wichtiger war, das Versprechen, das er Ólafur gegeben hatte, zu halten, oder herauszufinden, was hinter Magnús’ seltsamem Verhalten in letzter Zeit steckte.
    »Ja«, sagte er, »da ist in der Tat noch etwas. Du hast gestern Abend Besuch gehabt …«
    Magnús setzte sich wieder.
    *
    Bárður zögerte. Vielleicht hatte Ragnar Recht, vielleicht war es an der Zeit, sich mit den Tatsachen abzufinden und damit aufzuhören, den Kerl zur Vernunft bringen zu wollen. Sich damit abzufinden, dass der Alte unverbesserlich dumm und gemein war. Er holte tief Luft und klopfte an die Wohnungstür. Es war ja schließlich sein Vater, und man durfte die Hoffnung nie aufgeben.
    »Mein lieber Bárður!« Ólafur strahlte seinen Sohn an, als er die Tür öffnete. »Komm rein.«
    Bárður folgte seinem Vater ins Wohnzimmer und rümpfte die Nase. Hier war lange nicht gelüftet worden, so viel stand fest. Die dicke Luft von abgestandenem Rauch wurde vom Qualm kürzlich gerauchter Zigaretten überlagert, und der säuerliche Schnapsgeruch aus dem verdreckten Teppich war fast stärker als die frische Fahne des

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