Josepsson, Aevar Örn
aus und schlich auf Zehenspitzen in seine Wohnung, wo er sich den nächsten Drink mixte und Steven Seagal in den DVD -Player einlegte.
Ólafur wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte, als er durch den Spion beobachtete, wie Úlfur vom Lift zurück in seine eigene Wohnung schlich, deren Eingang seinem eigenen direkt gegenüberlag. Er schob die Klappe vor den Spion und schwankte ins Wohnzimmer zurück.
»Was der Kerl sich nicht alles einfallen lässt«, murmelte er. »Der verlorenen Seelen sind viele.« Das erinnerte ihn wieder an den Meister und dessen Bruder Ari. Und an den Mann, der anscheinend der Anführer dieser Leute gewesen war, die den Meister nach der Versammlung besucht hatten, auch wenn er als Letzter das Haus betreten hatte. Diese Szene beschäftigte ihn immer noch, trotz der Erklärungen des Meisters und trotz der vernünftigen Argumente seines Bruders, des Fernsehdirektors. Er holte die nächste Ginflasche aus dem Vorratsschrank und überlegte angestrengt, kam aber zu keinem Ergebnis.
Seine Besorgnis verringerte sich nicht, als ihm blitzartig einfiel, woher und warum er diesen Mann kannte, auch wenn er sich immer noch nicht an seinen Namen erinnern konnte. Am liebsten hätte er Ari noch einmal angerufen, um ihm das zu sagen, aber er fand, dass es inzwischen viel zu spät geworden war, um den Fernsehdirektor zu stören. Das hatte Zeit bis morgen, und bis dahin mussten Gott und der Gin genügen, um seine Zweifel zu beschwichtigen.
Diese heilige Zweifaltigkeit tat ihre Dienste, Ólafur grinste über beide Ohren, als die Erleuchtung kam.
»Natürlich«, murmelte er. »Natürlich. Wer bin ich denn, dass ich an Wundern zweifle? Hab ich nicht am eigenen Leib eines erlebt?«
»Du solltest dich was schämen, Ólafur Áki Bárðarson«, brummte er in das Schweigen seines übel riechenden Wohnzimmers hinein. Natürlich hätte er deswegen nicht misstrauisch zu werden brauchen, ganz im Gegenteil, es hätte ihm vielmehr neue Hoffnung einflößen sollen: Wenn man einen Mann wie diesen retten konnte, über den er im Laufe der Zeit vieles, und zwar wenig Schönes, gelesen hatte, dann waren alle zu retten. Auch Bárður und Hólmfríður. Vielleicht sogar Sigurlaug, und nicht zu vergessen Úlfur und Tinna. Angesichts der Kraft, über die der Meister verfügte, würde eine einzige Versammlung genügen. Nein, korrigierte er sich unwillkürlich, es war die Kraft der Gnade des Herrn, die sich im Meister offenbarte.
Ólafur lächelte zufrieden. Bárður und Hólmfríður würden ebenfalls zu einer Versammlung mitkommen, und zwar ganz bald, da war er sich sicher. Nach dem morgigen Tag würden sie nicht anders können, denn die Habgier war nun mal stärker als alles andere. Auf diese Weise würde eine der sieben Todsünden sie zum Schluss erretten und der liebenden Umarmung des Herrn zuführen. Was wiederum nur bewies, dass die alte Weisheit stimmte: Die Wege des Herrn waren unerforschlich.
Beim nächsten Schluck kam ihm die nächste Erleuchtung. Die Habgier würde seine Kinder bekehren, und genauso würde die Sucht Úlfur und Tinna zu ewigem Leben verhelfen. Ólafur war fest entschlossen, Úlfur das nächste Mal, wenn er kam, um Alkohol von ihm zu schnorren, klarzumachen, dass er nicht einen einzigen Tropfen mehr bekäme, falls er nicht endlich zu seinem Versprechen stand, mit zu einer Versammlung zu kommen. Und damit basta.
Ólafurs Freude über seinen Entschluss hielt jedoch nicht lange vor. Als er sich mit verschwommenem Blick umsah, überkam ihn wieder das Elend. Aus bitterer Erfahrung wusste er, dass er da etwas unternehmen musste, und zwar rasch, wenn er nicht wieder in Selbstmitleid und Zweifel versinken wollte. Deswegen mixte er sich rasch noch einen weiteren Drink und schaltete den Fernseher wieder ein. Das Glück war mit ihm.
»Eeehrrre sei Gott«, verkündete der Meister.
»Ameen«, sagte Ólafur laut.
Es war schon nach drei, als er endlich ins Bett torkelte. Mit seiner Sonntagshose auf den Hacken schlief er ein.
*
Am Montagmorgen ging es Ólafur noch dreckiger als gewöhnlich, sowohl die Kopfschmerzen als auch der steife Hals waren schlimmer, und der Druck auf der Blase war geradezu unerträglich, als er kurz vor neun aus dem Schlaf hochschreckte. In Schweiß gebadet, zitterte er gleichzeitig wie Espenlaub. Er sprang aus dem Bett und wollte schnell ins Badezimmer, fiel aber der Länge nach hin, weil er die Sonntagshose vergessen hatte, die ihm um die Knöchel schlackerte. Im Sturz ging ein
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