Josepsson, Aevar Örn
ihrem Handy. Sie war stinkwütend auf sich selber, dass sie sich von so einem Versager hatte übertölpeln lassen. Er hatte die Tür geöffnet, und sie hatte sich vorgestellt, woraufhin er sie höflich hereingebeten und ihr die Tür aufgehalten hatte. Sie war auf nichts gefasst gewesen, als er sie von hinten umstieß, das Schuhregal umkippte und dann die Tür hinter sich zuschlug.
»Sogar ein blutiger Anfänger würde sich nicht dämlicher anstellen«, schimpfte sie und stampfte ungeduldig auf. Fünf Klingeltöne, sechs, sieben … »Jetzt geh doch endlich dran, du Fettwanst«, fauchte sie. Aber Guðni antwortete nicht. Sie rief im Dezernat an und fragte, ob ein Wagen unterwegs sei. Dort fielen die Leute aus allen Wolken, und sie hatte ihre liebe Mühe, ihre Wut im Zaum zu halten, während sie schilderte, was vorgefallen war, und verlangte, dass sämtliche verfügbaren Wagen nach Breiðholt geschickt werden sollten, um nach Úlfur zu suchen.
»Etwa einsachtzig«, gab sie durch, »circa fünf-, sechsunddreißig, mittelblond, hager, Jeans und Jeansjacke …« Sie wies den Wachdienstleiter darauf hin, dass er ein Foto in der Datenbank finden würde, das müsse umgehend an alle Einsatzwagen weitergeleitet werden.
»Okay«, erwiderte der folgsam, »mach ich. Sag mal, ist Guðni Pálsson da irgendwo in deiner Nähe?«, fragte er. Der Stimme nach zu urteilen hätte er genauso gut fragen können, ob da irgendwo in der Nähe ein Kiosk sei.
»Ja«, fauchte sie wütender als beabsichtigt. »Er ist in einem Haus hier ganz in der Nähe, und er hätte dich schon längst anrufen sollen.«
»Äh, ja, eigentlich … Eigentlich hat er das auch gemacht«, stammelte der Wachdienstleiter. »Aber dann hat er gar nichts gesagt.«
Katrín hielt abrupt inne. »Was meinst du damit?«, fragte sie scharf. »Was hat er gesagt?«
»Ich glaube, es war so etwas wie verfluchte Kacke.«
»Und sonst nichts?«
»Nein. Mehr hat er nicht gesagt. Deswegen habe ich gedacht, ich frage dich, ob du weißt, wo er …«
»Schick die Wagen hierher«, unterbrach Katrín ihn, »und zwar dalli. Und wehe, wenn du die Leitung blockierst oder dich vom Telefon wegbegibst, bevor du wieder von mir hörst.« Sie brach das Gespräch ab und hastete zurück, was die Beine hergaben, aber ohne richtig zu wissen, warum.
*
Magnús sah seinen Bruder besorgt an.
»Mein lieber Ari«, sagte er in seinem weichsten Bariton, »was ist denn los?« Aus jedem Wort trieften Fürsorglichkeit wie auch Verständnislosigkeit.
»Was los ist?«, gab Ari zurück. Seine Stimme, sonst ebenfalls ein angenehmer Bariton, klang im Augenblick geradezu schrill. »Du sagst, dass du die Nachrichten gehört hast, und fragst, was los ist?«
Magnús legte seinem Bruder den Arm um die Schultern, hielt den Kopf schräg und sah Ari direkt in die Augen.
»Wir sind das doch alles durchgegangen, mein Lieber«, sagte er. In seiner Stimme schwangen nicht nur tröstliche, sondern auch anklagende Untertöne mit. »Das ist zwar schrecklich, aber es geht uns gar nichts an. Nicht das Geringste. Waren wir nicht zu diesem Ergebnis gekommen? Weshalb jetzt dieses Theater?« Er sah Ari forschend an, doch der starrte nur auf seine Fußspitzen, bevor er einen Schritt zurücktrat und sich traute, hochzublicken.
»Ja, wir sind das durchgegangen«, antwortete er zögernd. »Und ich habe dich gewarnt, ich habe dir gesagt, es würde noch viel mehr Aufsehen erregen, wenn wir nichts unternehmen würden, aber du …«
»Ich setze mein Vertrauen in Gott«, entgegnete Meister Magnús resolut und stellte sich wieder direkt vor seinen Bruder. »Und ich habe dir geraten, das auch zu tun, erinnerst du dich?«
Ari wich weiter zurück. »Ja«, antwortete er, jetzt etwas selbstsicherer. »Ich erinnere mich. Aber ich erinnere mich auch, dass ich dich gebeten habe, sofort mit unserem Freund, nein, mit deinem Freund da am Hlemmur zu reden, um sicherzustellen, dass die Sache nicht total aus dem Ruder läuft. Das mit Gott ist ja alles gut und schön, Magnús, aber einiges gehört einfach nicht in seinen Zuständigkeitsbereich, und das weißt du sehr gut.«
Magnús schlug die Hände zum Himmel. »Dass du von allen Menschen so redest …«
»Nun tu bloß nicht so, Brüderchen, nicht mir gegenüber, nicht so«, fiel ihm Ari ins Wort. »Ich weiß, dass du an dem Abend noch zu ihm gegangen bist, nachdem ich dich angerufen hatte. Ich weiß, was passiert ist.«
Magnús kniff die blauen Augen zusammen, strich sich über den grau
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